Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Venus und ihr Krieger

Venus und ihr Krieger

Titel: Venus und ihr Krieger
Autoren: Susan Hastings
Vom Netzwerk:
sie gefangen war! Mit einer heftigen Bewegung ihrer gefesselten Hände schlug sie dem Römer die Schale aus der Hand. Die heiße Suppe spritzte ihm auf die nackten Beine. Schlagartig veränderte sich sein Gesichtsausdruck.
    »Du elendes Miststück!«, fluchte er und schlug Sigrun mit dem Handrücken kräftig ins Gesicht. Ihr Kopf schlug gegen die Steinmauer, wo sie benommen liegen blieb. Als sie die Augen öffnete, war der Soldat verschwunden.
    Gewiss würden die Römer sie demütigen und foltern, wenn sie zurückkamen. Dem musste sie entgehen. Doch wie? Ihr Blick fiel auf ihre zerfetzte Kleidung – und plötzlich lächelte sie. Odin hatte ihr einen Weg gewiesen.
    Mit großer Anstrengung riss sie ihren Rock und ihr Unterkleid, das bereits in Fetzen hing, in schmale Streifen. Sie wand sie umeinander, sodass ein fester Strick entstand. Diesen legte sie sich so um den Hals, dass er unter der Eisenfessel zu liegen kam. Die beide Enden kreuzte sie und packte sie mit festem Griff.
    »Ihr Schicksalsnornen, warum habt ihr mir das angetan?«, fragte Sigrun leise, während sie sich wieder aufrichtete. »Du zürnender Gott, warum hast du mir deine Hilfe verweigert? Nein, es ist euer Wille, dass ich Freiheit gegen Leben tausche. So sei es denn, ihr weisen Frauen, ich gehe ein in Walhalla.«
    Mit diesen Worten packte sie die Enden des Strickes fester und zog sie mit einem heftigen Ruck zu. Sie spürte einen schrecklichen Druck im Kopf, ihre Lungen schienen zu platzen und ein schneidender Schmerz im Hals nahm ihr fast das Bewusstsein. Sie zog noch heftiger, als plötzlich ihre Hände auseinander gerissen wurden.
    Ein römischer Offizier hatte sich auf sie geworfen und zerrte an ihren Handgelenken. Er rief etwas und andere Soldaten eilten ihm zu Hilfe. Sigrun spürte heftige Schläge im Gesicht, die sie wieder zu Bewusstsein brachten. Verwirrt öffnete sie die Augen. »Habt ihr das gesehen? Sie wollte sich einfach fortstehlen! Bei diesen Barbaren muss man aufpassen, sie wählen lieber den Tod. Wisst ihr, was dieses Täubchen auf dem Markt bringt? Schaut euch nur mal die blonden Haare und die langen, weißen Beine an.« Der Centurio richtete sich wieder auf. »Ein Mann Wache zu ihr. Du passt auf sie auf, damit sie sich nichts antut. Und reiß ihr diese Fetzen vom Leib, damit sie nicht wieder auf solche Ideen kommt!«
    Dann wandte er sich ab und ließ die verzweifelte Sigrun mit ihrem Bewacher allein. Missmutig hockte er sich neben sie, allerdings außerhalb ihrer Reichweite. Man wusste ja nie, was diesen Wilden so alles in den Kopf kommt.
    Der See lag im Schein des Mondes, die umliegenden Berge spiegelten sich in dem kristallklaren Wasser. Wo das Ufer einen kleinen Vorsprung in die glänzende Wasserfläche bildete, stand ein verkrüppelter Baum. Unter ihm hockten unzählige Männer, neben sich Speere, Schilde und Schwerter. Lodernde Feuer tauchten die Versammlung in gespenstisches Licht. Es war der Thing der Kimbern.
    Einer der furchterregend aussehenden Krieger hatte sich erhoben und blickte in die Runde.
    »Wir sind fortgezogen aus unserer alten Heimat, weil wir nicht mehr genug Land für uns und unsere Kinder hatten, nicht genug fruchtbares Ackerland, nicht genug Weideland für unsere Herden. Die Seherinnen haben das Los geworfen, das Wiehern der heiligen Rosse belauscht, die Wirbel der Bäche gedeutet. Und wir haben den Göttern geopfert. Die Götter sind mit uns und haben uns geführt. Doch nun sitzen wir hier zwischen diesen nackten und kahlen Felsen, kratzen die Erde auf und warten auf die Ernte, die uns auch Nerthus nicht bescheren wird. Denn wir sind noch nicht am Ziel unserer Reise angelangt. Das ist nicht das warme und sonnige Südland, das die weisen Frauen gesehen haben. Lasst uns nicht untätig harren, lasst uns nicht darben und hungern. Lasst uns weiterziehen und das verheißene Land suchen!«
    Der Sprecher setzte sich und ein vielstimmiger Ruf erscholl. Die Männer klopften beifällig mit den Speerschäften auf ihre Schilde. Es dröhnte zum Himmel empor und hätte Donar zur Ehre gereicht.
    Ein zweiter Krieger erhob sich. »Es geht die Kunde, dass im Süden die Römer leben. Und es geht die Kunde, dass sie ihre Streifzüge bis hierher ausdehnen. Ziehen wir weiter nach Süden, werden wir unweigerlich mit ihnen zusammenstoßen. Aber wir sind hungrig und schwach. Für diesen Kampf benötigen wir jedoch Kraft. Viele Krieger sind gefallen bei den Kämpfen gegen die Boier. Lasst uns wenigstens eine Ernte verweilen, um
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher