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Venice Beach

Venice Beach

Titel: Venice Beach
Autoren: P Besson
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Wenn man daher in den frühen Morgenstunden eine Leiche auf dem makellosen Rasen neben dem Crescent Drive entdeckt,sorgt das für Aufregung, das können Sie mir glauben.
     
    Ich hatte in dieser Nacht Dienst. Der Morgen zog allmählich herauf, jene blauen Stunden, in denen ein überfülltes Café an der Straßenecke die Rettung vor dem Zusammenklappen ist oder das zerknitterte Gesicht eines Brötchenverkäufers so etwas wie die Brüderlichkeit der Fußkranken zeigt. Franck McGill redete über alles und nichts mit mir, über seine Frau, die ihm auf die Nerven ging, seine Kinder, die sich schlecht entwickelten, seine Schwiegermutter, die diese mit widerwärtigen Sahnetorten überhäufte, und über das unmögliche Leben, in das man sich manchmal, ohne es selbst zu wissen, einsperren lässt. Der kleine Bishop hat uns informiert, dass ein Notruf eingegangen sei.
     
    Als wir an Ort und Stelle eintrafen, hatten die Kollegen schon alles abgeriegelt. Der Schauplatz des Verbrechens war durch ein Ballett von Blaulichtern eingekreist. Absperrungen waren errichtet worden, um die Neugierigen auf Distanz zu halten und zu verhindern, dass dem legendären Scharfblick der Polizei wertvolle Indizien entgingen. McGill ging hinter mir, ich hatte den höheren Grad von uns beiden. Ich versuchte, das passende Gesicht aufzusetzen: selbstsicher wie ein Vertreter der Staatsgewalt, bemüht wie jemand, der gleich eine Leiche in Augenschein nehmen wird, und leicht gelangweilt wie ein Typ, der schon mehr Leichen gesehen hat. In Wirklichkeit bekam ich es mit der Angst zu tun. Und ich baute darauf, dass denen, die mich erwarteten, aufgrund der durchwachten Nacht meine Unsicherheit nicht zu sehr auffiele.
     
    Ich begrüßte die Uniformierten, schüttelte Hände, stellte Routinefragen. Um wie viel Uhr hatte man den Toten entdeckt? Wer? War es dieselbe Person, die uns alarmiert hatte? Was hatte man bisher mit Sicherheit ermittelt? Man hat mir eine Frau mit Lockenwicklern im Morgenrock gezeigt. Nicht der
Look
von Beverly Hills. Man flüsterte mir ins Ohr: »Es ist die Putzfrau vom Crescent Drive 425.   Sie hat die Leiche gesehen, als sie die Abfälle herausbrachte. Sie hat sofort angerufen. Wir waren in weniger als fünf Minuten hier. Es ist nichts berührt worden. Man hat Fotos und die üblichen Vermessungen gemacht. Wir haben auf Sie gewartet.«
     
    Ich ging zu dem Toten hin, der auf dem Bauch lag. Ich habe sein Gesicht, das leicht zur Seite in meine Richtung gedreht war, gesehen, seine geöffneten Augen, das Blut, das aus seiner Schläfe geflossen war. Ich habe seine Jugend gesehen. Ich betrachtete ihn genau: Converse-Turnschuhe, eine zerschlissene Jeans von Lee Cooper, ein weißes T-Shirt , das vom Sturz schmutzig war, vielleicht von einer Schlägerei, ein breites Lederarmband am rechten Handgelenk, die Handfläche nach oben gedreht. Ich bin zum Gesicht zurückgekehrt. Zu den offen stehenden Augen und dem geronnenen Blut an der Schläfe. Ich ordnete an, man solle den Körper vorsichtig umdrehen. Das T-Shirt war an der Vorderseite blutgetränkt, das frisch geschnittene Gras hatte grüne Spuren hinterlassen. Der Tod lag erst kurze Zeit zurück. Augenscheinlich weniger als eine Stunde. Der Schlag gegen die Schläfe war zweifellos tödlich gewesen. Man würde feststellen müssen, womit er ausgeführt worden war.
     
    Durch wen und warum, das war eine andere Sache.
     
    Der Krankenwagen wartete hinter der Absperrung, überflüssigerweise, denn für heute gab es niemanden zu retten. Der Typ würde im Leichenschauhaus enden. Ehe man ihn sezierte. Um die Leiche zum Sprechen zu bringen.

 
    Es ist kein schönes Ende, sein Leben gegen fünf Uhr morgens, über eine Wiese von Beverly Hills taumelnd, neunzehnjährig, mit blutüberströmtem Gesicht, zu beschließen. Nein, kein schönes Ende. Billy Greenfield hatte bestimmt von etwas anderem geträumt.
     
    Bestimmt hatte er auch nicht davon geträumt, in der Nähe der Western Avenue, Ecke Hollywood Boulevard, auf den Strich zu gehen. Aber wenn man einen schönen Hintern, eine schöne Visage und pro Tag, an dem man auf den Strich geht, dreiundsechzig Dollar in einer Schuhschachtel hat, entdeckt man sehr schnell, dass das Straßenpflaster eine Möglichkeit wie jede andere ist, zurechtzukommen.
     
    Mit der Zeit entdeckt man auch, dass man seine Einnahmen durch den Zwischenhandel mit Stoff aufbessern kann. Billy Greenfield war ein Jugendlicher, der zu rasch und ohne Orientierung herangewachsen war. Ein kleiner
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