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Vater unser

Vater unser

Titel: Vater unser
Autoren: Jilliane Hoffman
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würde diese Schande sie früher oder später umbringen. Er wusste, dass es noch nicht vorbei war. Die Männer und Frauen, die über ihn geurteilt hatten, saßen mit unbehaglichem Gesichtsausdruck auf der Geschworenenbank, und die Kameras waren weiterhin auf ihn gerichtet. Deswegen schlug er seinen Vater nicht, schrie seiner Mutter nicht nach und umarmte auch niemanden. Er tat gar nichts, schluckte nur das Blut hinunter und starrte stur geradeaus. Um ihn herum brach Chaos aus. Er hörte die Hurrarufe derer, die seinen Fall zu ihrer Sache gemacht hatten und ihn zu ihrem Aushängeschild. Und er vernahm das empörte Johlen derjenigen, die ihn für den leibhaftigen Teufel hielten. Für einen Simulanten. Einen Betrüger. Einen Mörder. Und in all dem Lärm und Geschrei hörte er auch, wie sie ihren Namen riefen. Miss Valenciano, sind Sie zufrieden mit dem Urteil?»
Wurde der Gerechtigkeit Genüge getan?»
Haben Sie mit David Marquette gesprochen?» Seine Wundertäterin. Sie hatte den Blinden die Augen über seine Krankheit geöffnet und die Tauben die Stimmen hören lassen, die nur er hören konnte. Staatsanwältin Julia Valenciano. Sie bestürmten sie mit Fragen, doch sie antwortete ihnen nicht. Er hörte ihre melodische, herausfordernde Stimme nicht. Trotzdem wusste er, dass sie dort war, irgendwo hinter ihm, wartend. Er spürte sie. Er roch sogar ihr Parfüm. Von Anfang an hatte zwischen ihnen eine Verbindung bestanden, und er wusste, dass sie ihn nicht verlassen würde, bis es endgültig vorbei war. .. . befinde ich, dass David Marquette die Voraussetzungen für die Einweisung in eine geschlossene Anstalt erfüllt, und überstelle ihn dem Familienamt ...An diesem Termin werde ich mir die Berichte über die Fortschritte Ihres Mandanten ansehen, Mr. Levenson, und dann entscheiden ...» Er verdankte ihr möglicherweise sein Leben. Es war an der Zeit, ihr zu zeigen, wie dankbar er dafür war. Es war an der Zeit, die Welt in das kleine Geheimnis einzuweihen, das er die ganze Zeit für sich behalten hatte. Nun ja, nicht ganz allein für sich, dachte er und lachte still in sich hinein. Dort draußen gab es noch jemand anderen, der Geheimnisse bewahren konnte. Jemand, dessen Gedanken weitaus finsterer waren als seine eigenen. Als die Wachmänner mit Fußfesseln und Handschellen auf ihn zukamen, hielt er ihnen geduldig die Arme hin. Es würde nicht mehr lange dauern, bis er die Dinger los war. Bis Gott auf wundersame Weise den Kranken heilte. Bis sie ihn bedauerlicherweise wieder freilassen mussten. Die Zeit würde wie im Flug vergehen. Er ließ sich von den Männern zum Ausgang führen, doch er wusste, dass sie noch wartete. Sie würde bis zur letzten Sekunde auf ihn warten. Also drehte er sich um und dankte ihr mit einem freundlichen Lächeln für alles, was sie für ihn getan hatte. Sie war wirklich verdammt hübsch. An Gott Warum hast du das Leben so unerträglich gemacht und mich zwischen vier Wände gesperrt, wo ich den Mahlzeiten nicht zu entfliehen vermag, ohne durch mein Flehen einen Aufseher zu verärgern. Heute Abend wurde ich in eine sinnliche Hölle gerissen, alles hat mich verlassen, und ich weine und bange innerlich dem Tode entgegen und erhalte ihn doch nicht. Ein Teil meines Verstandes ist erloschen. In mir tobt eine schreckliche Hölle. Ivor Gurney, englischer Komponist, Dichter und Patient in einer Londoner Nervenheilanstalt
KAPITEL 103
    E S WAR seltsam, die Vögel singen und zwitschern zu hören. Von dem Fenster ihres Zimmers aus sah Julia den Parkplatz, hinter dem sich eine endlose, schneebedeckte Ebene erstreckte. In der Ferne ragten majestätische Berge auf, deren weiße Gipfel von einem Wolkenschleier verhüllt wurden. Die Landschaft wirkte öde und trostlos. Doch direkt neben ihrem Fenster, in einer kleinen, von Schnee und Eis überzogenen Tanne, baute ein Kardinalspärchen sein Nest. Hier und da kämpften sich auch schon winzige grüne Knospen durch die Schneedecke. Der Frühling kündigt sich an, hatte John ihr gesagt.
« Das Positive – wenn wir unter diesen Umständen überhaupt von positiv sprechen wollen –», erklärte die Ärztin langsam, « das Positive ist, dass Sie die Krankheitsmerkmale wahrnehmen, Julia. Das erhöht die Wahrscheinlichkeit für einen günstigen Verlauf.» Auf dem Namensschild an ihrer weißen Jacke stand Marie G. Ryan, M.D. Psychiatric Services.
« Und natürlich besteht die Möglichkeit, dass dies nur eine einmalige psychotische Episode war, obwohl ich Ihnen in
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