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Varus - Historischer Roman

Titel: Varus - Historischer Roman
Autoren: Iris Kammerer
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sie im Licht der Lampen, die die Sklaven und Leibwächter hielten, vor ihm und Fufidius stand, bemerkte er, wie jung sie war, kaum dem Kindesalter entwachsen. Ihre Knie zitterten, und helle Angst stand in ihren weit aufgerissenen Augen. Ein Kloß stieg Annius in die Kehle, mühsam unterdrückte er das Bedürfnis zu schlucken.
    Der Sklavenhändler schnäuzte sich und spuckte auf den Boden. »Dann wünsche ich dir noch viel Spaß mit deinem Gewinn, du Günstling Fortunas«, presste er zwischen den Zähnen hervor. »Und wenn du ein Bett brauchst, dann geh zu Fausta, die hat immer Platz - du weißt ja, wo ihr Haus ist?«
    Annius nickte kurz. Fausta war unter den Legionären die bekannteste Kupplerin, sie besaß Mädchen für den kleinen Geldbeutel und hielt dennoch auf Sauberkeit. Dass Fufidius’ Vorstellungsvermögen nicht weiter reichte als bis zu einem
billigen Lupanar, verwunderte Annius nicht. Eine Gefangene über weite Strecken bis zum nächsten Sklavenmarkt zu befördern, war kostspielig; sie schnell an die Zuhälter und Kupplerinnen weiterzureichen, die das Heer begleiteten, warf dank des großen Bedarfs zumindest einen kleinen Gewinn ab.
    Als das Mädchen sich aufbäumte in dem harten Griff des Aufsehers, riss dieser sie an den Haaren zu sich, und auf seinem kantigen Gesicht breitete sich ein Grinsen aus. Lautlos biss sie die Zähne aufeinander, dass ihre Wangen anschwollen, verdrehte die Augen, um ihren Peiniger sehen zu können. Beklemmende Erinnerungen erwachten in Annius - flüchtende, kreischende Frauen und Mädchen, Gelächter. Er widerstand dem Wunsch, auf seinen Gewinn zu verzichten, das hätte ihn zum Gespött gemacht. »Lass sie los! Ich werde schon fertig mit ihr.«
    Der Vierschrötige versetzte dem Mädchen einen Stoß, dass es taumelnd einige Schritte tat und beinahe gegen Annius geprallt wäre. Sie fuhr zurück und umklammerte das Handgelenk, das der Kerl ihr auf den Rücken geschraubt hatte. Entschlossen packte Annius ihren Arm, nickte Fufidius zu.
    »Viel Spaß mit diesem schäbigen Küken!«, knurrte der Sklavenhändler, stapfte dann grußlos mit dem Aufseher zum Haus, gefolgt von den Laternenträgern. Die beiden anderen Sklaven begleiteten Annius und das Mädchen zum Tor, das sie hinter ihnen geräuschvoll verriegelten.
    Wie ausgestorben lag der Weg vor Annius in der Dunkelheit. Er holte Luft, gab dem Mädchen einen leichten Stoß und zog sogleich die Hand zurück. Hastig wischte er sie an der Tunica ab. Die erste Nachtwache hatte begonnen, er hätte längst in seinem Quartier sein müssen, stattdessen trabte
er ziellos durch das nächtliche Lagerdorf mit einem Mädchen, das er beim Würfeln gewonnen hatte und für das er eine Bleibe brauchte. Ihm blühten Ärger, Soldabzug, vielleicht sogar Arrest.
    Ein Mädchen! Annius schnaubte und schubste sie nochmals, dass sie strauchelte. Jeder Mann, der bei Verstand war, hätte sich einen Burschen besorgt. Der hätte ihm die Stiefel geputzt, für ihn gekocht und abgewaschen und seinen Teil der Stube sauber gehalten. Sie stank nach dem Verschlag, in den sie mit zu vielen anderen eingesperrt worden war; darunter mischte sich der schale Geruch der Angst, den sie verströmte. Wie jede Frau, die einem oder gar mehreren Männern schutzlos ausgeliefert war.
    Faustas Haus sei ein guter Ort, jeden Fluchtversuch dieses Mädchens zu vereiteln, dachte Annius grimmig, als er in den Weg einbog, in dem er dieses Haus wusste; da hätte es die grölenden Zecher nicht gebraucht, die ihm eingehakt entgegentorkelten, während ein dritter breitbeinig an der Hauswand sein Wasser abschlug. Blumengirlanden und zwei Laternen lockten zum Eingang, den ein riesiger Barbar bewachte, nichts am Leib als einen knappen, eng gewickelten Schurz und einen bronzebeschlagenen Gürtel, an dem ein Dolch hing. Der Riese grinste Annius schon entgegen, winkte ihm zu, als dieser das Mädchen, das beim Anblick des Hauses stocksteif geworden war, rasch weiterzog.
    Was war los mit ihm? Mit heißen Ohren schritt er an diesem Haus der Freuden vorbei, aus dem Stimmen drangen, Seufzer, helles Kichern und das Quietschen der Betten. Die Herberge war ihm eingefallen. Der alte Pacuvius hatte sicher eine Kammer, in der man die Kleine unterbringen konnte, zur Not einen fensterlosen Verschlag. Er würde sie
auch versorgen, falls Annius Arrest erhielte. So musste es gehen.

    Quintus Numonius Vala stapfte missmutig hinter den beiden Laternenträgern her. Die Gespräche mit den chattischen Unterhändlern
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