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Varus - Historischer Roman

Titel: Varus - Historischer Roman
Autoren: Iris Kammerer
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die Klingen der Beile im Mittagslicht aufblitzten. Ein anderer Richter, ein junger Quaestor, der sich mit Geringfügigkeiten abgeben musste, nahm mit wichtiger Miene Varus’ Sitz ein.
    Unter den Umstehenden brandete ein Streit auf, Weiber keiften, eine Frau kreischte; Annius erblickte kupferrotes wehendes Haar, ein junges Gesicht, die Augen schmal vor Wut, die Lippen entblößten eine Reihe weißer Zähne - keine Selbstverständlichkeit bei diesem Volk. Eine andere Frau hatte ihr den Mantel von Kopf und Schultern gezerrt, nun rangelten sie um das dunkle Tuch unter dem Gelächter der Soldaten und der Männer, die soeben noch dem Legaten des Augustus gehuldigt hatten. Als einer der Männer ein Spottlied anstimmte und andere einfielen, baute das Mädchen sich auf, dass es einem erzürnten Centurio zur Ehre gereicht hätte, und warf den Lästermäulern einen wahrhaft vernichtenden Blick zu, ehe sie hochaufgerichtet hinter der Alten, die ihr den Umhang entrissen hatte, davonstolzierte. Kopfschüttelnd wandte Annius sich zum Gehen. Die Barbaren erschienen ihm ebenso unbeherrscht wie die Stadtrömer, deren
hochmütiges Gehabe nur eine dünne Tünche über einem äußerst reizbaren Gemüt war.
    Während Sabinus und sein Gefährte zurückblieben, um zum Zeitvertreib den weiteren Verhandlungen zuzuschauen, schlenderte Annius den Weg zum Lager hinauf, genoss die Wärme der Sonne im Nacken. Vor seiner Versetzung in die Germania, dem wilden Land zwischen Rhenus und Albis, hatten seine alten Kameraden ihn bedauert; dort werde ihn tagtäglich schlechtes Wetter erwarten, endloser Regen und kalte Winde. Doch fast den ganzen Sommer lang hatte sich ein blauer Himmel über der Erde aufgespannt, mit kleinen weißen Wolken, die sich nur selten vor die mild lächelnde Sonne schoben.
    Ein hochgewachsener Mann mit rötlich schimmerndem Haar, das er nach Römerart kurz geschnitten trug, eilte an ihm vorüber und streifte ihn dabei mit dem dunkelroten Manteltuch. Ihm folgte ein anderer, schmaler gewachsen, älter, ein Barbar, unter dessen kurzem Umhang helle Hosen und rohlederne Stiefel hervorlugten. Er langte nach der Schulter des Vorausgehenden, rief ihn mit zornbebender Stimme immer lauter an, bis der erste mit wehendem Mantel herumwirbelte, um dem Verfolger eine scharfe Antwort in der Mundart der Wilden zu geben. Annius erkannte den jungen Mann, einen Vertrauten des Statthalters Varus, Iulius Arminius genannt, einen ritterlichen Tribun cheruskischer Abkunft, der häufig in Varus’ Haus verkehrte. Der Verfolger hingegen war in helles Leinen und einen bunten Umhang gekleidet wie einer der mächtigeren Fürsten desselben Stammes. Unauffällig wich Annius zum Straßenrand aus; die Streitlust der Menschen, die hier lebten, war sprichwörtlich. Leicht geriet man bei solchen Händeln zwischen die Fronten und hatte dann seine liebe Not, heil herauszukommen.

    Die beiden Männer standen einander gegenüber, Arminius mit verschränkten Armen, während der andere - Annius erkannte ihn als den Fürsten Segestes - die Fäuste in die Seiten stemmte.
    »Ich werde hingehen und alles offenbaren!«, stieß Segestes hervor.
    »Man wird dir nicht glauben.«
    »Man wird mir glauben - dafür sorge ich!«
    Arminius reckte das Kinn und starrte den anderen schweigend an, während links und rechts neben ihnen Soldaten vorübergingen und die Streitenden mit neugierigen Blicken streiften. Dann flog ein Leuchten über Arminius’ Gesicht, er schnaubte verächtlich, drehte sich um und ging davon, ließ Segestes einfach stehen. Erheitert bemerkte Annius, dass der Barbarenfürst einige Atemzüge lang mit offenem Mund verharrte, ehe sich seine Miene verdüsterte und er hinter dem anderen drohend die Faust erhob. Insgeheim ein wenig stolz darauf, jedes Wort verstanden zu haben, folgte Annius zwei kopfschüttelnden Legionären zum Lagertor; ein schneller Blick zurück zeigte ihm den Rücken des Fürsten, der in seiner verletzten Würde steifbeinig davonging.

    Während Sextus Ceionius die Berichte seiner Schreiber überflog, blieb sein Blick immer wieder an einzelnen Worten hängen - hier eine Schlägerei zwischen Legionären und Soldaten einer einheimischen Hilfstruppe, dort Beschwerden über zurückbehaltene Soldzahlungen oder drangsalierende Unteroffiziere, und zwischen all diesen Nichtigkeiten immer wieder Urlaubsanträge.
    Die Soldaten langweilten sich.
    Seufzend lehnte Ceionius sich in die Polster der Kline und
ließ die Wachstafeln auf seine Oberschenkel sinken.
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