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Vanilla aus der Coladose

Vanilla aus der Coladose

Titel: Vanilla aus der Coladose
Autoren: Eva Hierteis
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Bündel Kleider unter dem Arm. Ihre Plastikflipflops hatte sie mit der freien Hand vor sich hergeschubst. Als sie endlich Boden unter den Füßen gehabt hatte, hatte sie sich angezogen, so gut das im Wasser eben ging. Als Laili jetzt die kniehohe Böschung auf die Wiese hinaufkletterte, sah sie an sich herab. Aus ihren Jeans-Shorts liefen kleine Rinnsale an ihren Waden hinab. Ihr T-Shirt, dessen Nähte nach außen schauten, klebte ihr triefnass am Körper. Sie zupfte etwas Entengrütze davon ab. Egal. Alles war besser, als in Schweine-Rüssel-Ringelschwanz-Unterwäsche vor ihren Mitschülern zu stehen. Laili beugte sich vorund schüttelte die Strubbelhaare aus wie ein Hund sein nasses Fell. Sie sah zu ihren Mitschülern hinüber. Vanilla hatte gerade die Arme erhoben und ließ die Hüften kreisen.

    Mit einem lässigen »Hi! Ich hatte meinen Badeanzug vergessen« ging Laili auf die kleine Gruppe zu. Hinter ihr machte am Ufer Beate das Ruderboot an einem Pfosten fest und knallte den Wäschekorb auf die Wiese. Ihre Mundwinkel hingen nach unten. Die Enttäuschung stand ihr in großen roten Buchstaben auf die Stirn geschrieben.

U ff, war die Straße noch lang! Wie der längste Kaugummi der Welt dehnte sie sich vor Laili, die mühsam einen Fuß vor den anderen setzte. Der Wäschekorb zog ihren linken Arm schwer nach unten. Großzügigerweise hatte sich Vanilla diesmal dazu bereit erklärt, ihr tragen zu helfen, sodass das Rattan-Umgetüm nun zwischen ihnen hin und her schwankte wie ein Schiff auf hoher See. Der Wind hatte noch zugenommen und riss vereinzelte gelbbraune Blätter, die in der Hochsommerhitze verdörrt waren, von den Bäumen, um sie dann vor sich herzujagen. Die beiden Mädchen seufzten im Wechsel. Vanilla, weil sie es nicht gewohnt war, schwer zu tragen, oder es unter ihrer Flaschengeistwürde fand. Und Laili, weil sie heilfroh war, dass sie mit einem blauen Auge davongekommen war. Die anderen hatten sie nicht in ihrer peinlichen Unterwäsche gesehen. Und Beate hatte so schamlos übertrieben, dass ihr niemand geglaubt hatte. Außerdem hatten sich alle viel mehr für Vanilla interessiert, die noch ein paar orientalische Tanzschritte vorgemacht hatte. Zum Abschied hatte Vanilla Beate noch fröhlich zugewunken und ihr »Tschüssi! Und danke für die schöne Bootsfahrt, Sumpfi Sumpfkuh!« zugerufen. Gut – sie hatte das Prinzip nicht ganz verstanden. Aber sie hatte ja sooooo recht! In diesem Moment hatte Laili sie sehr, sehr gern. Ein warmes Gefühl hatte sich in ihrem Bauch ausgebreitet und am liebsten hätte sie das Flaschengeistmädchen umarmt. Aber dafür war sie zu nass. Dann hatte Vanilla die Stupsnase in den düstergelben Himmel gereckt, Laili hatte es ihr nachgetan und so waren sie abgezogen. Die anderen hatten ihnen noch lange nachgestarrt. Und zwar nicht hämisch kichernd, wie Beate es geplant hatte, sondern bewundernd. Die beiden Mädchen hatten die Blicke im Rücken gespürt und Vanilla hatte sich noch etwas stärker als sonst in den Hüften gewiegt.

    Doch nun war ihr Gang schleppend und ihre Silberpantoffeln schrappten schlurfend über den Gehsteig.
    Nach Fräulein Müller hielt keine der beiden mehr Ausschau. Die war sicher längst über alle Berge, Seen und Inseln.
    »Was sagen wir denn jetzt deinem Bruder?«, fragte Vanilla kleinlaut und wischte sich eine schwarze Haarsträhne aus den Augen, die der Wind ihr ins Gesicht geweht hatte.
    Laili zuckte mit der rechten Schulter. Auf der linken lastete zu viel Gewicht.
    »Die Wahrheit«, schlug sie vor, weil ihr nichts Besseres einfiel.
    »Aber . . .« Vanilla warf ihr über den Korbdeckel hinweg einen verzweifelten Blick zu. ». . . dann ist er sicher total sauer auf mich.«
    »Da kannst du Schlangengift drauf nehmen«, murmelte Laili.
    Zur Abwechslung hielt Vanilla mal den Mund. Dafür heulte der Wind umso lauter und wirbelte die Blätter immer wilder durch die Luft. Aus der Ferne ertönte dumpfes Donnergrollen.
    Als die beiden Mädchen schließlich in die Krawallskistraße einbogen, zuckte ein greller Blitz über den Himmel und ein einzelner, dicker Tropfen platschte Laili auf die Nase. Dann brach der Regen los.
    Quiekend sprang Vanilla in einen Hauseingang und stellte sich unter. »Moment, das haben wir gleich«, erklärte sie. Sie verschränkte die Arme vor der Brust, machte eine gewichtige Miene und murmelte: »Schickedim!«
    Im nächsten Moment war sie wieder von einer goldsilbernen Glitzerwolke eingehüllt. Laili kniff geblendet die Augen
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