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Vampirmelodie

Vampirmelodie

Titel: Vampirmelodie
Autoren: Charlaine Harris
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Geschöpf war der Gestaltwandler. Ich könnte mir das Bild eines Säbelzahntigers ansehen und sofort einer werden. Wusstest du das?«
    »Nein«, sagte ich.
    »Ich glaube, ich fahre nach Hause. Ich fahre zu meinem Wohnwagen und …« Seine Stimme verlor sich.
    »Und was?«
    »Und ziehe mir ein Hemd an«, fuhr er schließlich fort. »Ich fühle mich seltsam. Dein Garten ist erstaunlich.«
    Jetzt war ich verwirrt und nicht nur leicht besorgt. Die eine Sookie in mir verstand, dass Sam etwas Zeit für sichallein brauchte, um sich von dem Schock des Sterbens und der Wiederkehr zu erholen. Die andere Sookie aber, die Sookie, die Sam schon seit Jahren kannte, war traurig, dass er so gar nicht wie sonst klang. Ich war in den letzten Jahren Sams Freundin, Angestellte, Gelegenheitsdate und Geschäftspartnerin gewesen – all das und noch vieles mehr – und hätte geschworen, dass er mich nicht mehr überraschen konnte.
    Mit zusammengekniffenen Augen sah ich zu, wie er sein Schlüsselbund aus der Hosentasche zog. Ich stand auf, damit er den Liegestuhl verlassen und zu seinem Pick-up gehen konnte. Er kletterte in die Fahrerkabine und sah mich einen Augenblick lang durch die Windschutzscheibe an. Dann drehte er den Autoschlüssel im Zündschloss. Er hob die Hand, und mich durchfuhr ein Freudenschauer. Er würde das Seitenfenster noch mal herunterkurbeln. Er würde mich zu sich herüberrufen, um sich zu verabschieden. Doch dann setzte Sam zurück, wendete den Wagen und fuhr langsam die Auffahrt zur Hummingbird Road entlang. Er fuhr davon ohne ein einziges Wort. Kein »Bis später«, »Vielen Dank« oder »Du kannst mich mal«.
    Und was hatte er eigentlich damit gemeint, dass mein Garten erstaunlich sei? Er war doch schon Dutzende Male in meinem Garten gewesen.
    Dieses Rätsel zumindest war schnell gelöst. Als ich kehrtmachte und ins Haus stapfte – durch außerordentlich grünes Gras –, fiel mir auf, dass die drei Tomatenstauden, die ich vor Wochen eingepflanzt hatte, schwer mit reifen roten Früchten beladen waren. Bei dem Anblick blieb ich unwillkürlich stehen. Wann war das denn passiert? Als ich das letzte Mal einen Blick darauf geworfen hatte, vor einer Woche vielleicht, hatten sie vor sich hingekümmert und so ausgesehen, als müssten sie dringendgegossen und gedüngt werden. Die linke Staude hatte sogar den Eindruck gemacht, als würde sie schon aus dem letzten Loch pfeifen (falls Pflanzen denn pfeifen konnten). Und jetzt hatten alle drei Pflanzen üppig grüne Blätter und sanken unter dem schieren Gewicht der Früchte gegen das Spalier. So als hätte irgendjemand ihnen eine Extradosis Superdünger verpasst.
    Mit vor Erstaunen offenem Mund drehte ich mich im Kreis, um auch einen Blick auf die anderen Blumen und Büsche im Garten zu werfen, und davon gab es unzählige. Viele der Stackhouse-Frauen waren begeisterte Gärtnerinnen gewesen und hatten Rosen, Margeriten, Hortensien und Birnbäume gepflanzt … so viel Blühendes und Grünes, gehegt von Generationen von Stackhouse-Frauen. Und mir war es nicht mal gelungen, das alles gut in Schuss zu halten.
    Aber … was zum Teufel war denn hier los? Während ich in den letzten Tagen in düsteren Gedanken versunken war, hatte der ganze Garten Dopingmittel eingenommen. Oder vielleicht war auch ein Zauberer mit grünem Daumen zu Besuch gekommen. Alles, was irgend blühen konnte, war mit strahlenden Blüten überladen, und alles, was Früchte tragen konnte, war reich damit bestückt. Und alles andere war eine einzige glänzende grüne Pracht. Wie war das denn passiert?
    Ich pflückte ein paar besonders reife und runde Tomaten und nahm sie mit ins Haus. Zu Mittag würde es ein leckeres Schinken-Tomaten-Sandwich geben, das stand schon mal fest, aber zuerst musste ich noch ein paar Dinge erledigen.
    Ich griff nach meinem Handy und ging die Liste meiner Kontakte durch. Ja, ich hatte Bernadette Merlottes Nummer. Bernadette, genannt Bernie, war Sams Gestaltwandlermutter. Meine Mutter war gestorben, als ich siebenwar (weshalb ich es vielleicht gar nicht richtig beurteilen konnte), aber Sam schien ein gutes Verhältnis zu Bernie zu haben. Wenn es je einen Zeitpunkt gegeben hatte, seine Mom anzurufen, dann jetzt.
    Ich will nicht behaupten, dass wir ein angenehmes Gespräch führten, und es war kürzer, als es hätte sein sollen. Doch als ich auflegte, packte Bernie Merlotte eine Reisetasche, um nach Bon Temps zu kommen. Sie würde am Spätnachmittag eintreffen.
    Hatte ich das Richtige
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