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V wie Verrat

V wie Verrat

Titel: V wie Verrat
Autoren: Anna Schwarz
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aber das war gut so.

    Wir fuhren Richtung Zentrum und plauderten unterwegs über alles Mögliche. Wenn er nicht den Macho raushängen ließ, war er ein netter und interessanter Gesprächspartner. Natürlich fiel auch der Name Lin und ich nutzte die Gelegenheit und versuchte, ihn unauffällig auszufragen. Irgendwann sah er mich schmunzelnd von der Seite an und sagte: »Anna, ich will deiner kleinen Schwester nichts Böses. Im Gegenteil, sie hat mir ganz schön den Kopf verdreht.«
    Soviel zum Thema unauffällig.
    Am Ziel angekommen, wich Toni mir nicht von der Seite.
    Als ich nach einer Stunde meine Einkaufsliste abgearbeitet hatte, war er voll bepackt mit Tüten und seinem Gesichtsausdruck nach nicht mehr so motiviert wie zu Anfang. Also beschloss ich, ihn zur Belohnung auf einen Drink einzuladen. Hier in der Nähe gab es eine kleine Bar, deren Besitzer ein Freund von uns war. Er stammte wie Toni ebenfalls aus Genua, er mixte extrem leckere Cocktails und - er war ein Eingeweihter, der über Vik und die anderen Bescheid wusste. Es machte die Kommunikation um so vieles angenehmer und unkomplizierter, wenn man nicht ständig auf seine Worte achten musste.
    Wir brachten die Sachen zum Wagen und schlenderten langsam durch die schmalen Seitenstraßen der Altstadt. Es war einer dieser Oktoberabende, an denen die Luft noch die Erinnerung an den Sommer in sich trägt und sich wie Seide anfühlt. Ich blieb vor einem kleinen Vorgarten voller üppig blühender Rosenbüsche stehen, schloss die Augen und atmete tief durch die Nase ein, um diesen verschwenderischen und doch so flüchtigen Duft in vollen Zügen zu genießen. Meine Mutter hatte Rosen geliebt, unser kleiner Garten war voll davon. Wenn sie im Sommer in voller Blüte standen, konnte einem fast schwindelig werden von diesem intensiven Geruch.
    Ein leises Lachen holte mich aus meiner Versunkenheit. Ich sah auf und in Tonis amüsierten Blick.
    »Du kleine Genießerin.«
    Er zwinkerte mir zu und bot mir dann, ganz Gentleman, seinen Arm.

    Wir erreichten die Bar. In der milden Nachtluft standen noch ein paar kleine Tische draußen und Stefano, der Besitzer lehnte am Türrahmen und sah uns entgegen. Er war Mitte fünfzig und ein typischer Norditaliener. Kultiviert, gepflegt, gebildet und gefährlich charmant. Aber auch eitel, was sich immer wieder aufs Neue in teuren Maßanzügen, einem perfekten Haarschnitt und exquisitem Herrenparfüm zeigte. Als er mich erkannte, begannen seine dunkelbraunen Augen zu glänzen.
    »Anna. Cara mia. Wie konntest du mich so lange vernachlässigen? Mein Herz hat die ganze Zeit geblutet.«
    Es war ein Genuss, ihn auf seine duftende, frisch rasierte Wange zu küssen. Geschmeichelt lächelnd stellte ich die beiden einander vor. Sie musterten sich zunächst skeptisch, kamen aber über ihre gemeinsame Heimat schnell in ein sehr lockeres, unverkrampftes Gespräch. Das Flackern der vielen, kleinen Windlichter auf den Tischen tauchte den Abend in ein bezauberndes mystisches Licht. Ich lehnte mich in meinem Stuhl zurück, nippte an meinem Cocktail und hörte den beiden entspannt zu. Stefano ging kurz hinein, um unsere Gläser aufzufüllen. Da versteifte sich Antonios ganzer Körper. Seine Augen flogen suchend über die Umgebung.
    »Toni? Was ist los?«
    Er hob die Hand, stand auf und blickte sich forschend um. Auch ich starrte in die mittlerweile tiefschwarze Nacht, konnte aber nicht das Geringste erkennen.
    »Wir gehen.«
    Er warf einen Geldschein auf den Tisch, schnappte mich am Arm und zog mich hoch.
    »Verdammt! Toni! Was ist denn?«
    Ich konnte es noch nie leiden, herumkommandiert zu werden und wollte mich aus seinem Griff befreien. Ein sinnloses Unterfangen. Seine Finger, die sich schmerzhaft um mein Handgelenk schlossen, gaben keinen Millimeter nach. Gerade, als ich mich genervt fügen wollte und meine Tasche von der Stuhllehne nahm, trat eine riesenhafte, dunkle Gestalt aus dem Schatten der gegenüberliegenden Hauswand. Ich schluckte hart.
    Bitte. Lass es nicht Pierre sein!
    Der bedrohlich wirkende Fremde machte einen weiteren Schritt auf uns zu. Antonio zog mich schützend hinter seinen Rücken. Da fiel aus einem Fenster ein Lichtschimmer auf rotgoldene Locken und ein strahlend weißes Lächeln blitzte auf.
    »Andrew!!!«
    Ich schoss jubelnd an dem verdutzten Toni vorbei und warf mich dem Schotten in die ausgebreiteten Arme. Er hob mich hoch und wirbelte mich mehrmals im Kreis herum. Als er mich endlich wieder auf die Füße stellte, fuhr ich
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