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Urmel im Vulkan

Urmel im Vulkan

Titel: Urmel im Vulkan
Autoren: Max Kruse
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Pfoten auf dem heißen Gestein der Vulkaninsel verbrannt. Und ich
pflegte es. Ich pflegte es mit großer Liebe und viel Geduld — bis es wieder
gesund war. Das Urmel war aber auch sehr brav gewesen, es hatte sich die
Verbände niemals abgerissen und sich nie — nein wirklich niemals, öfföff! —
gekratzt. Deshalb konnte es auch bald wieder laufen. Und es bedankte sich bei
mir, indem es mir einen sehr nassen Schmatz auf meine Backe gab.
    Ich gestehe, daß ich mir gerührt die Augen wischen mußte.
Wirklich, ich liebte das Urmel sehr. Um so mehr ärgerte ich mich über den guten
Professor, der mir einfach nicht glauben wollte, daß es überirdische Mächte
waren, die dem Urmel so wehgetan hatten.
    Der Professor ist natürlich ein sehr kluger Mann. Ich kenne
keinen klügeren. Aber in dieser einen Hinsicht ist er unerklärlich einseitig,
um nicht zu sagen beschränkt. Mein Versuch, ihn eines Besseren zu belehren,
scheiterte kläglich. Es war in seinem Arbeitszimmer gewesen, und ich hatte ihm
gerade einen sehr wichtigen Vortrag über gute und böse Geister, über
Märchenfeen und Dämonen gehalten. Er aber antwortete: »Meine liebe Wutz, das
Urmel hat auf der Vulkaninsel nur Gase und Dämpfe eingeatmet. Man nennt sie Fumarolen.
Wenn sie Schwefel enthalten, heißen sie Mofetten, enthalten sie Kohlensäure,
nennt man sie Solfataren. — Ja, und die Pfoten hat es sich auf der noch nicht
erkalteten Lava verbrannt. Das Erdinnere ist nämlich eine glühende, breiartige
Masse oder Flüssigkeit. Man nennt sie Magma. Tritt sie durch die
Vulkanausbrüche an die Erdoberfläche, wird sie Lava genannt...«
    Da rief ich: »Jetzt wird es mir aber zu bunt, öfföff!
Fumatoren und Solfaretten oder Mofarolen und Lama und Mava... Geister sind es
gewesen, Gespenster, Höllenfürsten! Leider wirst du mir erst glauben, wenn es
zu spät ist, wenn Titiwu schon längst unter dieser Blava verschüttet liegt.«
    »Fahr doch selbst hinüber und verbrenne dir die Pfoten«, sagte
der Professor ganz ruhig. »Und wenn du einen Geist dort findest, nun, dann sag
es mir.«
    Später sprach ich mit dem Urmel, und es tröstete mich. »Weißt
du was?« maunzte es sehr niedlich. »Wir fahren wirklich noch einmal zur
Vulkaninsel hinüber. Zu zweit kann uns ja nichts passieren, einer kann immer
dem anderen helfen.«
    Das leuchtete mir ein. Ich flüsterte: »Wir pilgern heimlich
hinüber, beschwören den Geist und bringen ihm Geschenke und Opfergaben. Wir
verwöhnen und versöhnen ihn und gewinnen ihn zum Freund.«
    »Fein!« rief das Urmel. »Ich schenke — opfere ihm meine
Matratze und du die Schlummertonne...«
    Aber ich hatte eine bessere Idee: »Ich backe ihm eine
Mohrrübentorte«, sagte ich. Und alsbald begab ich mich ans Backwerk.
    Als die Torte fertig war — sie war mir meisterlich gelungen,
öfföff — , überlegten wir, wie wir uns bei unserem Aufenthalt auf der
Vulkaninsel schützen könnten. »Ich stürze mich lieber ins Wasser, als daß ich
den heißen Boden noch einmal berühre!« maunzte das Urmel. »Ich kann ja fliegen.
Und du kannst vielleicht ein Paar feste Stiefel vom Professor anziehen?«
    Wir versuchten es, als er gerade einmal an den Strand gegangen
war. Aber leider waren sie viel zu weit. Hinein kam ich ja leicht — aber dann
konnte ich nur am Boden damit herumschlurfen, sorgfältig darauf bedacht, meine
Füße nicht zu heben. Konnte das der rechte Schutz für eine Wanderung über
unebenes Gelände, über Fels und Stein sein?
    Glücklicherweise fielen dem Urmel die Stelzen ein, die sich Tim
Tintenklecks einmal gebastelt hatte. Sehr elegant waren sie ja nicht, öfföff,
aber vielleicht wirklich zweckmäßig?
    Das Urmel klaute sie jedenfalls heimlich. Sie lagen im
Gestrüpp unter dem Baumhaus. Tim Tintenklecks benutzte sie ja gerade nicht. Das
Urmel schleppte sie zu dem Ruderboot, das unten im Schilf schaukelte.
    Und in der Abenddämmerung, als der Himmel sich verdüsterte,
stachen wir beide tapfer in See. Natürlich klopfte mir das Herz: Welchem
Ungeist aus der Flasche würde ich begegnen?
    Niemand auf Titiwu bemerkte unsere Ausfahrt. Das war uns
gerade recht. Wir ruderten abwechselnd. Das Urmel wäre zwar lieber geflogen,
aber ich hatte Sorge, daß es sich zu weit von mir entfernte.
    Auf der vorderen, unbenutzten Sitzbank stand unsere Opfergabe:
meine Mohrrübentorte. Sie duftete gar köstlich. Allzugern hätte ich mir eine
Scheibe abgeschnitten. Aber das hätte der Vulkangeist womöglich übelgenommen.
    Wir kamen nur sehr langsam
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