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Urmel aus dem Eis

Urmel aus dem Eis

Titel: Urmel aus dem Eis
Autoren: Max Kruse
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verzichten.
    Wovon aber sollte der arme Professor nun leben und seine Studien fortsetzen? Er mußte fort aus Winkelberg, wollte er nicht verhungern und gar in höchster Not die arme Wutz schlachten. Er überlegte ernsthaft, wo sie hingehen könnten, und löste nach und nach seinen Hausstand auf.
    Eines Tages nahm der Briefträger Tim Tintenklecks auf der Straße beiseite. „Tim, du kannst dich freuen! Gestern wurde im Stadtrat beschlossen, dich zu anständigen Leuten zu geben. Bei dem verrückten Professor kannst du ja nicht bleiben!“
    Tim Tintenklecks war aber ganz anderer Ansicht. Und der Professor auch.
    In der gleichen Nacht noch verließen sie heimlich das kleine Haus. Der Professor trug in einem Rucksack Kleider, Bücher und Hausgeräte. Wutz zog einen Leiterwagen mit ihrer Schlummertonne und noch allerhand unentbehrlichen Dingen, und Tim Tintenklecks schob hinten kräftig mit.

    Seitdem wurden sie in Winkelberg nicht mehr gesehen. Und langsam vergaß man sie.
    Dies alles war nun schon mehrere Jahre her.
    Professor Tibatong kannte jeden Fleck der Erdkugel aus Büchern. So ist es zu erklären, daß er eines Tages mit einem Einbaum auf einer einsamen Insel anlegte. Tim Tintenklecks paddelte, im Bug des kleinen Bootes kniend. Wutz schaukelte in der Schlummertonne hinterher, die Tim Tintenklecks seetüchtig gemacht hatte, indem er die vordere Öffnung zur Hälfte mit Brettern vernagelte. Bei hohen Wellen wurde dann noch die Tür ganz geschlossen. Mit ihrem Zentnergewicht hielt Wutz das Wasserfahrzeug im Gleichgewicht. Aber da sie vom Wetter begünstigt waren, konnte sie meistens den Rüssel zum Ausguck hinaushalten und sich die Sonne auf die Borsten brennen lassen.
    Die Insel gefiel ihnen auf den ersten Blick.
    Der einzige Kummer des Professors war, daß er bisher weder die Existenz des unsichtbaren Fisches bewiesen noch die Urmel-Forschung beendet hatte. Aus der Form urzeitlicher Tierknochen und Skelettreste hatte er nämlich geschlossen, daß es noch ein bis dahin unbekanntes, seltsames Lebewesen gegeben haben müsse: das Urmel. Aber wie üblich hatte man ihn ausgelacht, am heftigsten Direktor Doktor Zwengelmann vom Naturkundemuseum in Pumpolon, der Hauptstadt des Staates Pumpolonien.
    Nun, er konnte ja auch hier auf der Insel weiterarbeiten. Bücher und Schreibpapier hatte er sich mitgebracht. Mit dem schweren Rucksack auf dem Rücken kletterte er aus dem Boot und watete an Land.
    Auf dem Gipfel des Berges errichteten sie ein Blockhaus. Tim Tintenklecks half geschickt mit Säge und Hammer, und Wutz schleppte die Stämme herbei.
    Als der Professor einziehen konnte, fand sich auch für die Schlummertonne ein schöner Platz, von dem aus Wutz die Sterne des südlichen Himmels betrachten und die Bäume rauschen hören konnte. Leuchtete der Mond zu hell, zog sie einfach den Vorhang zu.
    Winter gab es hier nicht.
    Ja, und dann vergingen die Jahre. Professor Tibatong setzte seine Sprechübungen mit Wutz fort, und bald konnte das kluge Schwein sich mit ihm unterhalten. Dann nahm er andere Tiere als Schüler an. Schließlich mußte ein Klassenzimmer angebaut werden — noch nie in seinem Leben war er so glücklich gewesen wie hier auf der Insel.
    Sie tauften sie Titiwu — nach den Anfangsbuchstaben ihrer Namen Tibatong, Tintenklecks und Wutz —, zum Zeichen, daß es ihre Insel sei. Und den Berg nannten sie Homi, weil er so hoch war und sich in der Mitte der Insel erhob.



Drittes Kapitel:
An dessen Ende Professor Tibatong eine Neuigkeit erfährt

    Nun sind wir am heutigen Morgen angelangt.
    Schusch saß unschlüssig auf der Schwelle des Klassenzimmers. Über ihm leuchtete das Schild, das Tim Tintenklecks gemalt hatte, in bunten Farben:

    Habakuk Tibatongs Tier-Sprechschule
    Unterricht freiwillig — nach Vereinbarung

    Schusch, der Schuhschnabel, war zur Zeit der einzige Vogel unter des Professors Schülern. Ping Pinguin rechnete der Schuhschnabel nämlich nicht zu den richtigen Vögeln, weil er nicht fliegen konnte.
    Schusch wußte nicht recht, was er machen sollte. Er hatte seine Aufgaben fleißig gelernt und sich darauf gefreut, sie aufzusagen. Er sollte das I besonders üben. Bei ihm klang das so: „Äch fläge, du flägst, er flägt!“ Und nun hockte er hier und wurde seine Weisheit nicht los. Weder Wawa noch Ping Pinguin waren gekommen, und Wutz hatte ihn sogar mit dem nassen Scheuerlappen aus dem Klassenzimmer gescheucht und gequiekt: „Heute fällt die Schule aus — öff! Raus mit dir, ich muß
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