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Urbi et Orbi

Urbi et Orbi

Titel: Urbi et Orbi
Autoren: berry
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schrie eine Frau.
    »Für manche gut, für andere schlecht.«
    »Und du verrätst es uns nicht?«
    »Es ist ein Geheimnis, und die Jungfrau hat uns befohlen zu schweigen. «
    Manuel Marto nahm Jacinta auf den Arm und schob sich mit ihr durch die Menge. Lucia folgte ihm, Francisco an der Hand. Einige liefen hinter ihnen her und bestürmten sie mit weiteren Fragen. Doch Lucia hatte nur eine einzige Antwort auf ihr Drängen.
    »Es ist ein Geheimnis. Es ist ein Geheimnis.«

Erster Teil
    1
    Vatikanstadt, Gegenwart
Mittwoch, 8. November
6.15 Uhr
     
    M onsignore Colin Michener hörte wieder das Geräusch und klappte sein Buch zu. Jemand war da, das wusste er genau.
    Wie schon einmal.
    Er erhob sich vom Lesetisch und sah sich zwischen den barocken Regalen um. Die uralten Bücherregale ragten bis zur Decke, bildeten lange Korridore und erstreckten sich Reihe um Reihe in beide Richtungen. Eine Aura ging von diesem Saal aus, ein Nimbus, der zum Teil mit seinem Namen verbunden war: L’Arc h ivio Segreto Vaticano . Das Vatikanische Geheimarchiv.
    Er hatte diesen Namen immer merkwürdig gefunden, denn nur das Wenigste, was in diesen Büchern stand, war geheim. Die meisten Bände enthielten einfach nur die akribischen Aufzeichnungen aus zwei Jahrtausenden Kirchengeschichte, Berichte aus Zeiten, als die Päpste noch Könige, Krieger, Politiker und Liebhaber gewesen waren. Alles in allem waren es fünfundzwanzig Regalmeilen, die viel zu bieten hatten, wenn jemand wusste, wo er suchen musste.
    Und das wusste Michener.
    Wieder konzentrierte er sich auf das Geräusch und ließ den Blick über die Fresken Kaiser Konstantins, König Pippins un d F riedrich II. hinweg zu dem eisernen Türgitter auf der anderen Seite des Saals schweifen. Hinter dem Gitter war es dunkel und still. Die Riserva durfte nur mit ausdrücklicher päpstlicher Vollmacht betreten werden, und der Türschlüssel befand sich in der Hand des Archivars. Michener war noch nie in dieser Kammer gewesen, hatte aber schon mehrfach pflichtbewusst vor der Tür gewartet, wenn sein Chef, Papst Clemens XV. den Raum betrat. Dennoch wusste er Bescheid über einige der kostbaren Dokumente, die in diesem fensterlosen Raum aufbewahrt wurden. Der Letzte Brief der Königin Maria von Schottland vor ihrer Enthauptung durch Elizabeth I., die Petitionen von fünfundsiebzig englischen Fürsten, die den Papst um Annullierung der ersten Ehe Heinrichs VIII. baten, Galileos unterschriebener Widerruf und Napoleons Vertrag von Tolentino. Michener betrachtete die Streben und Verzierungen des Eisengitters und das darüber ins Metall gehämmerte Fries von Blattwerk und Tieren. Die Tür stammte aus dem vierzehnten Jahrhundert. Nichts in der Vatikanstadt war einfach und gewöhnlich, alles trug die unverkennbare Handschrift eines berühmten Künstlers oder legendären Handwerkers, der im Bemühen, sowohl Gott als auch seinem Papst zu gefallen, jahrelang mit großer Sorgfalt gearbeitet hatte.
    Michener schritt durch den Saal, und seine Schritte hallten in der lauen Luft wider. Als er vor dem eisernen Türgitter stehen blieb, strömte ihm warme Luft entgegen. An der rechten Seite des Portals befand sich ein mächtiges Türschloss. Er prüfte den Riegel: Dieser saß sicher und fest.
    Hatte vielleicht einer der Aufseher das Archiv betreten? Der Dienst habende Aufseher war bei Micheners Eintreffen gegangen, und solange der päpstliche Privatsekretär da war, würde man niemanden in den Saal lassen. Der Vertraute des Papstes brauchte keinen Babysitter. Doch es gab zahlreich e T üren, die zum Geheimarchiv führten, und Michener fragte sich, ob er eben gehört haben könnte, wie die alten Türangeln vorsichtig geöffnet und wieder geschlossen worden waren. Schwer zu sagen. In diesem großen Saal waren die Geräusche ebenso schwer zu orten wie die Dokumente.
    Michener trat rechter Hand in den Pergament-Saal, einen langen Korridor, hinter dem sich der Katalogsaal befand. Über ihm leuchteten Lampen auf und erloschen, sobald er ihren Lichtkreis verließ. Er kam sich vor wie in einem unterirdischen Gang, dabei befand er sich im ersten Obergeschoss.
    Er ging noch ein kleines Stück, hörte aber nichts mehr und kehrte wieder um.
    Es war früh am Vormittag und Mitte der Woche. Michener hatte für seine Nachforschungen absichtlich diese Zeit gewählt, um keine anderen Zugangsberechtigten zu behindern und möglichst wenig Aufmerksamkeit bei den Angestellten der Kurie zu erregen. Er stellte im Auftrag des Heiligen
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