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Urbi et Orbi

Urbi et Orbi

Titel: Urbi et Orbi
Autoren: berry
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und ihr befohlen zuzugeben, dass alles eine Lüge sei. Der Priester hatte Lucia zugehört und erklärt, Unsere Liebe Frau könne unmöglich zur Erde herabgestiegen sein, um zum täglichen Rosenkranzgebet aufzufordern. Lucia hatte erst ein wenig Trost gefunden, als sie allein war und aus ganzer Seele weinen konnte, um ihrer selbst als auch um der Welt willen.
    Der Himmel zog sich zu, und die Regenschirme, die man in der Menschenmenge als Sonnenschutz aufgespannt hatte, wurden zugeklappt. Lucia stand auf und schrie: »Nehmt die Hüte vom Kopf, denn ich sehe die Heilige Jungfrau.«
    Die Männer gehorchten sogleich, und einige bekreuzigten sich, als bäten sie um Vergebung für ihre Unhöflichkeit.
    Lucia wandte sich wieder der Erscheinung zu und kniete sich hin. » Vocemecê que me quere? « , fragte sie. Was wünscht Ihr von mir?
    »Beleidigt den Herrn, unseren Gott, nicht mehr, denn Er zürnt bereits sehr. Kommt am Dreizehnten jedes Monats hierhin, und betet bis dahin jeden Tag einen Rosenkranz zu Ehre n U nserer Lieben Frau, für den Frieden der Welt und das Ende des Krieges. Denn Sie allein wird helfen können.«
    Lucia sah die Jungfrau aufmerksam an. Diese leuchtete durchscheinend in gelben, weißen und blauen Farbtönen. Ihr Gesicht war wunderschön, aber von Sorgen überschattet. Ihr Kleid reichte bis zu den Knöcheln. Der Kopf war mit einem Schleier bedeckt. Die Perlenkette eines Rosenkranzes war mit ihren gefalteten Fingern verschlungen. Ihre Stimme war freundlich und angenehm. Sie wurde weder lauter noch leiser, sondern war so gleichmäßig wie der Wind, der noch immer sanft durch die Menge strich.
    Lucia nahm ihren ganzen Mut zusammen und sagte: »Bitte, sagt uns, wer Ihr seid, und vollbringt ein Wunder, damit alle glauben, dass Ihr erschienen seid.«
    »Kommt weiterhin am Dreizehnten jedes Monats hierher. Im Oktober werde ich euch offenbaren, wer ich bin und was ich von euch wünsche, und ich werde ein Wunder vollbringen, an das alle glauben müssen.«
    Im vergangenen Monat hatte Lucia darüber nachgedacht, was sie sagen sollte. Viele Leute waren zu ihr gekommen und hatten um Hilfe für ihre Lieben gebeten und für diejenigen, die zu krank waren, um für sich selbst zu sprechen. Jetzt kam dem Mädchen eine dieser Bitten in den Sinn: »Kannst du Maria Carreiras verkrüppelten Sohn heilen?«
    »Ich werde ihn nicht heilen, aber ich werde ihm helfen, sich seinen Lebensunterhalt zu verdienen, wenn er jeden Tag den Rosenkranz betet.«
    Lucia fand es eigenartig, dass ein himmlisches Wesen seine Gnade an Bedingungen knüpfte, doch sie sah die Notwendigkeit solcher Gebete ein. Der Priester wies immer wieder darauf hin, dass Frömmigkeit der einzige Weg zu Gottes Gnade sei.
    »Opfert euch für die Sünder«, fuhr die Jungfrau fort. »Und sagt oft, besonders wenn ihr ein Opfer vollbringt: › O Jesu, das tue ich aus Liebe zu dir, für die Bekehrung der Sünder und zur Sühne der Sünden gegen das Unbefleckte Herz Mariä ‹ .«
    Die Jungfrau öffnete die gefalteten Hände und breitete die Arme aus. Strahlen brachen hervor und badeten Lucia in Wärme, wie die Wintersonne an einem kühlen Tag. Lucia genoss dieses Gefühl, sah dann aber, dass die Strahlen durch sie und Francisco und Jacinta hindurch in den Boden eindrangen und dass die Erde sich auftat.
    Das war neu und machte ihr Angst.
    In einer ungeheuren Vision breitete sich ein Flammenmeer vor ihnen aus. Darin trieben dunkle Gestalten wie Fleischbrocken in einer brodelnden Suppe. Es waren menschliche Gestalten, auch wenn die Gesichter nicht erkennbar waren. Sie tauchten aus den Flammen auf und gingen sofort wieder unter. Dabei schrien und stöhnten sie so schrecklich, dass Lucia Angstschauer über den Rücken liefen. Die armen Seelen wirkten schwerelos, haltlos waren sie den verzehrenden Flammen ausgeliefert. Dann tauchten tierähnliche Gestalten im Feuer auf, von denen Lucia einige erkannte. Alle waren furchteinflößend, und Lucia wusste, es waren Dämonen, die das Feuer schürten. Sie war entsetzt und bemerkte, dass es Jacinta und Francisco ebenso ging. Beide hatten Tränen in den Augen, und Lucia hätte sie gerne getröstet. Ohne die Jungfrau, die vor ihr schwebte, hätte auch sie die Fassung verloren.
    »Schaut zu Ihr hin«, flüsterte sie Cousine und Vetter zu.
    Die beiden gehorchten, und alle drei Kinder wandten sich von der grauenhaften Vision ab und hoben die gefalteten Hände zum Himmel.
    »Ihr seht die Hölle, wo die Seelen der armen Sünder leiden«,
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