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Unzaehmbares Verlangen

Titel: Unzaehmbares Verlangen
Autoren: Jayne Ann Krentz
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Morgan Thornquist hatte er durch Charlie bereits kennengelernt. Morgan war Professor der Philosophie und lehrte am Ridgemore College, einer Privatuniversität in Seattle. Er war auf einer kleinen Farm im mittleren Westen aufgewachsen - seine gedrungene Gestalt und die breiten Schultern verrieten deutlich seine Herkunft.
    Ansonsten ließ nichts an ihm darauf schließen, daß er vom Land kam. Er war Anfang Fünfzig und hatte, laut Charlie, vor fünf Jahren seine Frau verloren. Mit seinen buschigen Augenbrauen, dem gepflegten grauen Bart und der würdevollen Haltung entsprach er genau dem Bild, das Joel sich von einem Professor machte.
    Joel hatte nichts gegen Morgan. Bei den wenigen Gelegenheiten, wo sie sich begegnet waren, hatte er sich höflich und freundlich verhalten. Joel respektierte Intelligenz, und es gab keinen Zweifel daran, daß dieser Mann äußerst klug war.
    Das gleiche galt für seine jetzige Frau, eine große, kühle Blondine, die an Morgans rechter Seite saß. Es war nicht zu übersehen, daß sie hochschwanger war. Stephanie Thornquist war ohne Zweifel ebenso brillant wie ihr Mann. Mit vierzig Jahren hatte sie bereits eine Professur für Sprachwissenschaften am Ridgemoor College inne.
    Stephanie war eine äußerst gutaussehende Frau. Ihre aristokratischen Gesichtszüge und ihre aufrechte Haltung verliehen ihr sogar in ihrem jetzigen Zustand eine gewisse Eleganz. Sie trug das silberblonde Haar sehr kurz - der Haarschnitt wirkte modern und zeitlos zugleich. Ihre kühlen blauen Augen spiegelten die gleiche klare Intelligenz wider, die auch ihr Mann ausstrahlte.
    Joel war klar, wie er die beiden einzuschätzen hatte -weder waren sie eine direkte Bedrohung noch ein Rätsel für ihn. Aber beides sah er in seinem neuen Boß.
    Zögernd ließ Joel seinen Blick zu der jungen Frau gleiten, die links neben Morgan Thornquist Platz genommen hatte. Er war Letitia Thornquist noch nicht vorgestellt worden - und er legte auch keinen Wert darauf.
    Ihr Gesicht konnte er nicht deutlich sehen - hauptsächlich deshalb, weil sie es schniefend hinter einem riesigen Taschentuch verbarg. Miß Thornquist war die einzige Person der kleinen Trauergemeinde, die weinte.
    Joel musterte die hingebungsvoll schluchzende neue Besitzerin von Thornquist Gear und stellte fest, daß sie ihrer Stiefmutter in keinster Weise glich - sie war weder groß noch blond noch elegant, sondern klein, hatte honigfarbenes Haar und trug ein leicht verknittertes Kostüm.
    Die dichte hellbraune Mähne war Joel als erstes an ihr aufgefallen. Offensichtlich hatte sie sich große Mühe gegeben, die wilden Locken zu einem ordentlichen Knoten zusammenzustecken, doch die Frisur löste sich bereits. Einige widerspenstige Strähnen hatten sich bereits aus der goldenen Spange gelöst und hingen ihr in den zarten Nacken, andere ringelten sich spielerisch über Stirn und Wangen.
    Charlie hatte ihm vor kurzem beiläufig erzählt, daß sie neunundzwanzig war. Dabei hatte er auch den Namen der Universität erwähnt, wo sie als Bibliothekarin arbeitete, aber Joel hatte sich ihn nicht gemerkt. Jetzt versuchte er, sich daran zu erinnern. Valmont? Vellcourt?
    In diesem Moment drehte sich Letitia Thornquist um, bemerkte, daß Joel sie beobachtete und rückte ihre Schildpattbrille zurecht. Die Augen hinter den kleinen runden Gläsern waren riesig und wirkten neugierig. Die Brille und die geschwungenen dunklen Augenbrauen verliehen ihrem Blick etwas Unschuldiges. Joel mußte unwillkürlich an ein kleines, neugieriges Kätzchen denken.
    Nachdenklich sah sie Joel an - anscheinend überlegte sie angestrengt, wer er war und was er hier tat.
    Beinahe widerwillig stellte Joel fest, daß sie hübsch geschwungene, volle Lippen hatte. Er bemerkte auch, daß ihr Blazer sich ein wenig vorwölbte. Obwohl sie kein Gramm Übergewicht hatte - das sah er genau -, war sie an den richtigen Stellen wohlgerundet. Sie vermittelte einen gewissen Eindruck von Sinnlichkeit - das war die Frau, die sich Männer heimlich vorstellten, wenn sie an Heim, Herd und Kinder dachten.
    Joel stöhnte innerlich. Als ob er nicht schon genug Probleme hätte! Jetzt mußte er sich auch noch Gedanken darüber machen, wie er mit einer Unschuld mit riesigen Kinderaugen Geschäfte machen sollte, die aussah, als würde sie liebend gern im Kochtopf rühren, während die Kinder zu ihren Füßen spielten.
    Andererseits, wenn Letitia Thornquist wirklich eine naive Bibliothekarin aus dem Mittelwesten war - und so sah sie
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