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Unvergessliches Verlangen: Roman (German Edition)

Unvergessliches Verlangen: Roman (German Edition)

Titel: Unvergessliches Verlangen: Roman (German Edition)
Autoren: Eileen Dreyer
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Sie war gerade vom Stadttor in Namur wiedergekommen, wo sie den Tag damit verbracht hatte, sich um die Verwundeten zu kümmern, die seit der Nacht zuvor eingetroffen waren. Vor Erschöpfung fühlte sie sich benommen und stand einfach in ihrem verschmutzten, nassen Kleid da und fragte sich, was dieser traurige einsame Koffer bedeutete.
    Am Morgen noch hatte Mrs Bottomly sie wie am Tag zuvor verabschiedet, bevor sie ins Sanitätszelt gegangen war. »Nein, nein, meine Liebe«, hatte die kleine Frau, ein Bissen von ihrem Muffin im Mund, gesagt. »Sie müssen diesen armen Männern helfen. Wir sollten etwas tun, bis wir die Rückreise nach Hause organisiert haben. Obwohl ich fürchte, dass es zu spät sein könnte, um zu fahren.«
    Es war tatsächlich zu spät, aber offensichtlich nur für Olivia. Über ihrem Kopf grollte der Donner, und Regen rann die Fensterscheiben herunter. Vor zwanzig Minuten hatte der Himmel die Schleusen geöffnet und alle gezwungen hineinzugehen. Olivia war gelaufen, um schnell zu ihrer Unterkunft zu kommen.
    Nein, nicht ihre Unterkunft. Nicht mehr. Madame La Suire, die Vermieterin, hatte keinen Zweifel daran gelassen, als sie ihr knapp erklärt hatte, dass die englische Madame und ihre dummen Töchter keine Stunde, nachdem Olivia am Morgen aufgebrochen war, fortgegangen seien. Wenn Olivia bleiben wolle, müsse sie die Kosten für das Zimmer selbst bezahlen, hatte sie gesagt.
    Fort. Während sie auf dem Kopfsteinpflaster gekniet und den verwundeten Soldaten Wasser eingeflößt hatte, war ihre Arbeitgeberin ohne sie nach Hause geflüchtet. Das ergab keinen Sinn.
    »Hat Mrs Bottomly irgendetwas für mich hinterlassen, Madame?«, fragte Olivia, als die gedrungene Frau eine abgenutzte kleine Hutschachtel neben den Handkoffer stellte. »Einen Brief? Einen Pompadour?«
    Die Damenhandtasche, die sie bei Mrs Bottomly zurückgelassen hatte, wo sie in Sicherheit war. Wo sie sie nicht bei den Verwundeten und Sterbenden verlieren konnte, die auf den Straßen lagen, zwischen den Zivilisten, die dort herumtrampelten und zwischen Aufregung und blinder Panik schwankten. In der Handtasche befand sich jeder Penny, den sie in den vergangenen Monaten verdient hatte, das ganze Geld, das sie Georgie schicken wollte.
    »Sie hat nichts gesagt«, entgegnete die Madame. »Sie hat auch nichts hinterlassen. Ich habe alles hier abgestellt. Eine Handtasche war nicht dabei. Sie ist mit dem gut aussehenden englischen Lord gegangen.« Sie warf einen ernsten Blick auf ihren ehemaligen Pensionsgast und hob einen Finger. »Und versuchen Sie nicht, mir etwas zu unterstellen – ich habe niemandem etwas gestohlen.«
    Olivia schien nicht richtig denken zu können. Noch immer hatte sie an den Händen das Blut des jungen Dragoners, der sein Leben auf der Straße, knappe sechs Meter vom Stadttor entfernt, ausgehaucht hatte. Wenige Momente, bevor er gestorben war, hatte sie ihn erreicht. Er hatte gestöhnt und gefleht und war so jung gewesen – einer von Hunderten anderer, die sich von Quatre Bras zurückgeschleppt hatten.
    Sie hatte ihn in den Armen gehalten, als sein Blut auf die Pflastersteine geströmt war, und sie hatte gesehen, wie das Licht aus seinen Augen gewichen war. Schließlich hatte sie seine Lider zugedrückt. Braune Augen. Waren sie nicht braun gewesen? So behutsam, wie es ging, hatte sie ihn hingelegt und war aus dem Regen geflüchtet. Und jetzt hatte sie keinen Ort mehr, an den sie gehen konnte, und das war alles, an das sie im Augenblick denken konnte.
    Madame hatte sich umgedreht und wollte Olivia im Foyer stehen lassen, als sie innehielt. »Der gut aussehende englische Lord hatte allerdings eine Nachricht.«
    Olivia zuckte zusammen. Es gelang ihr, sich auf die griesgrämig dreinblickende Frau zu konzentrieren. Ein Blitz erhellte das Zimmer mit seinem bläulichen Schein und stahl ihr für einen Moment die Sicht.
    »Ein englischer Lord?«, wiederholte Olivia. Bei den Worten beschlich eine böse Vorahnung sie und drängte ihre Verwirrung beiseite. »Was für ein englischer Lord?«
    Donner grollte. Olivia stand tropfnass auf den Fliesen und erwartete das Unausweichliche.
    Die Frau lächelte wie ein kleines Mädchen. »Der nette Mann, der die Abfahrt der Bottomlys organisiert hat. Er meinte, Sie sollten hier auf ihn warten. Er kommt zurück.«
    In Brüssel gab es nur einen gut aussehenden Engländer, der Olivia kannte.
    Plötzlich ergab alles einen Sinn. Olivia beachtete Madame La Suire, die sich zum Gehen gewandt hatte,
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