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Untitled

Untitled

Titel: Untitled
Autoren: Unknown Author
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in einem Halbschlaf der Dämmerung. Dann kam die Frau zurück. Ihr weiter Rock wehte über seine Schulter, als sie leichtfüßig zu Boden sprang.
    »Wir glaubten alle, du seist tot«, sagte sie. Sie setzte sich zu seinen Füßen auf den Rasen.
    »Und alle Welt hat dich gesucht«, fügte sie hinzu, während sie ihm Stück für Stück Zucker in die Hand schob.
    August lauschte stumm. Die Worte flossen über ihn hin, aber ihren Sinn begriff er nur langsam, so langsam, als kämen die Worte vom fernen Ende der Welt. So oft die Zunge des Pferdes lau und feucht seinen Handballen leckte, durchrann ihn das Entzücken mit köstlichen Schauern. Jetzt erlebte er eindringlich wieder jenen Zustand zwischen Traum und Wachen, den er sonst nur vom Fuße der Leiter her kannte, die Pause zwischen der Entrückung, die ihn kraftlos zurückließ, wenn er ihr langsam entwich, und dem vollen Ausbruch des Beifalls, der in seinen Ohren mählich wie das Rollen eines fernen Donners schwoll.
    Keinen einzigen Augenblick lang dachte August daran, in das Hotel zurückzukehren und sein Gepäck zu holen. Eingeschlossen in den magischen Kreis der Räder und Wagen, lag er nahe dem Feuer auf seiner Decke und verfolgte schlaflos die bleiche Bahn des Mondes. Als er endlich die Lider schloß, war sein Entschluß gefaßt: er ging mit der Truppe. Dieser Leute wußte er sich sicher: sie würden das Geheimnis seines Namens wahren.
    Die Arbeit beim Aufstellen des Zeltes, das Ausrollen der Teppiche, das Auspacken der Requisiten, das Tränken und Pflegen der Pferde, alle die tausend Dinge zu tun, die man von ihm verlangte – reine Freude war dies für August. Er vergaß sich in der Erfüllung der einfachen und harten Forderungen des Tages. Von Zeit zu Zeit gestattete er sich das Vergnügen, einer Aufführung beizuwohnen. Mit ganz neuen Augen schätzte er den Mut seiner Reisegenossen ein. Besonders die Partie des Clowns erregte ihn: diese stumme Schaustellung, beredter nun in ihrer Sprache als früher, als er noch selbst auf getreten war. Er fühlte sich frei, so frei, wie er sich als Mitspieler nie gefühlt hatte. Oh, es war wundervoll, der Rolle ledig zu sein und völlig einzutauchen in die gestaltlose Gleichförmigkeit des Lebens, ein Staubkorn zu werden unter Millionen und dabei … ja, und dabei immer noch nützlich zu sein und teilzuhaben, inniger vielleicht als jemals zuvor. Welche Verblendung war es gewesen, zu glauben, daß er den Menschen einen großen Dienst erwies, wenn er sie zum Lachen, Schreien und Weinen brachte! Er empfing nicht länger Applaus; vorbei die Stürme des Lachens, die Schmeicheleien! Er empfing Größeres, feinere Nahrung der Seele – Lächeln. Lächeln der Dankbarkeit? Kein Lächeln der Anerkennung! Er wurde wieder als menschliches Wesen aufgenommen, als ein Wesen, das sich wohl von den anderen unterschied, aber dennoch ihrer Gemeinschaft unauflöslich zugehörte.
    Das war wie kleine Schlucke eines Labetrunks, die man in Notzeiten erhält und die das Herz köstlicher erfrischen als Fässer Weins in den Jahren des Überflusses.
    Unter der Wärme dieses Lächelns, das er wie süße Trauben einer reichen Ernte in die Scheuer fuhr, blühte August Tag für Tag voller und offener auf. Er fühlte sich mit einer unversiegbaren Fülle von Güte begabt, und er war begierig, stets ein übriges zu tun, mehr als man von ihm verlangte. Man konnte niemals zuviel von ihm fordern – so bereit war er nun. Er hatte eine kleine Redewendung für sich gefunden, die er leise vor sich hinmurmelte, wenn er an die Arbeit ging: »A votre service!« Vor den Tieren schämte er sich nicht, ganz laut zu sprechen; ihnen brauchte nichts verheimlicht zu werden. »A votre service«, sagte er zur Stute und hängte ihr den Hafersack über den Kopf. Und so zu den Robben, wenn er ihnen die schimmernden Rücken klopfte. Manchmal, wenn er aus dem Zelt hinaustrat in die sternenflimmernde Nacht, hob er die Augen, so als wolle er den Schleier durchbrechen, der unsere Augen vor dem Universum in seiner ganzen Herrlichkeit beschützt, und flüsterte sanft und verehrungsvoll: »A votre Service, Grand Seigneur!«
    Niemals hatte August einen ähnlichen Frieden gekannt, eine ähnliche Befriedigung, eine so tiefe und dauernde Freude. An den Zahltagen trug er seinen mageren Lohn in die Stadt, wanderte von Bude zu Bude, auf der Suche nach Geschenken für die Kinder – und für die Tiere! Ihm selbst genügte eine Fingerspitze voll Tabak.
    Aber eines Tages erkrankte der Clown. August
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