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Untitled

Titel: Untitled
Autoren: Unknown Author
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Brunnen wirst du eine Zypresse finden«… heißt es häufig in den orphischen Gesängen), was bedeutet es dann, daß Pirandello im dritten Akt alles mit einem Olivenbaum auflöst? Die Wahl ist nicht zufällig, und diese Wahl macht ihn sehr zufrieden. Zu Recht schreibt Sciascia:
      »Das war nicht nur eine ›Detailfrage‹, wie der Sohn dazu bemerkt, eine szenische Auflösung für dieses Theaterstück, das Pirandello nicht vollendet hat: es war eine Auflösung, die eine Bedeutung hatte, eine Katharsis, die sein gesamtes Werk, sein gesamtes Leben definierte und abschloß. Der Sarazenen-Ölbaum als Symbol für einen Ort, als Symbol für sein Gedächtnis, für das große, umfassende Gedächtnis. Wir könnten wohl auch sagen: für die Mnemosyne, die Mutter aller Musen und der Pirandellos in besonderem Maß, für eine Mnemosyne, die an diesem ›Ort der Metamorphosen‹ sich in einen Olivenbaum verwandelt hat: erdigverbunden, tief wurzelnd, frei rauschend…«
    Und wenn die Plane zerrissen wird, wenn die Gräfin Ilse ermordet und zerfleischt wird von den armen fanatischen Dienern des Lebens, wenn der Graf schreit, daß die Poesie in der Welt zerstört worden sei, wenn sie alle weggegangen sind und Ilses toten Körper auf dem Fuhrwerk mit sich genommen haben, mit dem sie angekommen sind, wird der Ölbaum da bleiben, in der Mitte der Bühne, und in seinem einheitlich geschlossenen Körper die Vergangenheit, die Gegenwart und die noch zu erleidende Zukunft symbolisieren.

      … In Wahrheit, wie von jeher geboren, wie auf jehin lebendig, sind wir hier.

      (Gerade als ich diese Seiten schrieb, kehrte ich für ein paar Tage in meinen Heimatort zurück, nach Porto Empedocle. Nach vielen, vielen Jahren überkam mich die Lust, von oben her die Scala dei Turchi, die Türkentreppe, zu sehen, einen Hügel aus hellem Mergel, der langsam zum Meer hin abfällt. Aber inzwischen war dort ein Restaurant gebaut worden, das den Blick versperrte. Der sehr freundliche Sohn des Eigentümers ließ mich eintreten, obwohl das Restaurant geschlossen war. Und gleich sah ich einen riesigen Sarazenen-Ölbaum »mit krummem, verdrehtem Stamm, mit dunklen Rissen, als würde er gefoltert und man könnte fast sein Stöhnen hören« (Sciascia). Ich wunderte mich, daß einer von ihnen überlebt haben sollte. Da erklärte mir der junge Mann, daß dieser Olivenbaum aus einem Ort im Inneren der Insel dort hingebracht worden sei, daß er mit größter Sorgfalt und der Hilfe eines Botanikers verpflanzt worden sei. Stolz sagte er mir, daß der Olivenbaum angegangen sei und zeigte auf die neuen zarten Triebe mit silbergrünen Blättern.
    »Wer weiß, wie alt der wohl ist!« sagte ich.
    »Das wissen wir«, sagte der junge Mann, »der Botaniker hat eine Bohrung gemacht.«
      Er wollte damit sagen, daß aus dem tiefsten Inneren des Baumes eine Probe entnommen worden war, die für die Untersuchung ausreichte.
    »Also, wie alt ist er?« fragte ich.
    »Eintausendzweihundert«, antwortete mir der junge Mann.)

ANMERKUNGEN

    Die Originaltexte von Luigi Pirandello werden zitiert nach der Ausgabe Gesammelte Werke in sechzehn Bänden, hrsg. von Michael Rössner, Berlin, Propyläen, 1997- 2001. Übersetzt aus dem Italienischen von Michael Rössner, Hans Hinterhäuser, Franz Rauhut, Georg Richert, Piero Rismondo und anderen. Diese Ausgabe ist im folgenden als ›GW‹ gekennzeichnet.

      S. 20: aus Autobiographisches Fragment, GW a.a.O., Bd.16, S. 15
      S. 20/21: aus Erster Entwurf zu Informationen über meinen unfreiwilligen Aufenthalt auf der Erde‹, GW Bd.16, S. 40/41
    S. 21: aus der Novelle Ein Tag, GW Bd. u, S. 257
      S. 23: aus der Novelle Der andere Sohn, GW Bd. 8, S. 38
      S. 33/34: aus dem Roman Die Ausgestoßene, GW Bd. 5, S. 31
      S. 36/37: aus Die Alten und die Jungen, GW Bd. 14,8. 38/39
      S. 38: aus der Novelle Die Tote und die Lebende, GW Bd. 8, S. 351-364
      S. 39 (oben): aus der Novelle Der böse Geist, GW Bd. 8, S. 26/27
      S. 39: aus der Novelle Das Fräulein Boccarmé, GW Bd. 8, S. 95
    S. 39 (Mitte): aus der Novelle Der Lebensretter, GW Bd.
    8, S. 246
      S. 41/42: aus Die Alten und die Jungen, GW Bd. 14, S. 197-199
      S. 48-50: aus Das Märchen vom vertauschten Sohn, GW Bd. 2, S. 425/426
      S. 53-59: aus der Novelle Die kleine Madonnenstatue, GW Bd. 7, S.362-368
      S. 68: aus der Novelle Die Pein, so zu leben, GW Bd. 4, S. 396
      S. 70: aus der Novelle Der große Verblichene, GW Bd. 4, S. 284/285
      S. 85: aus der
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