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Unter Verdacht

Unter Verdacht

Titel: Unter Verdacht
Autoren: Julia Arden
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den ihrer Meinung nach hoffnungslosen Fall. Sie rauschte aus dem Büro. In der Tür stoppte sie plötzlich und drehte sich noch einmal um. »Hast du schon gehört? Wir bekommen im Fachbereich einen neuen Kollegen. Ich habe läuten hören, er musste in seiner alten Stelle wegen einer disziplinarischen Entgleisung abdanken. Ist das nicht herrlich anrüchig?«
    Sylvia lachte. »Du Ärmste. Du kannst es ja kaum aushalten, bis das sündige Objekt hier eintrifft.«
    »Das Leben ist schon trist genug. Gönn mir doch die seltenen Momente der Abwechslung«, erwiderte Anne und verschwand.
    Karen war gerade auf den Sprung in Ralfs Büro, um ihm die »Miriamsache« ans Herz zu legen, als Frau Stahmann durchklingelte.
    »Herr Drechsler bittet um ein Gespräch. Es sei sehr wichtig.«
    »Jetzt?« wunderte sich Karen. Die Teambesprechung war doch erst heute morgen gewesen. Alles Wichtige war gesagt worden. Nun, vielleicht hatte Drechsler ja etwas Vertrauliches, mit dem er sich an sie wenden wollte. »Bitten Sie ihn herein«, wies sie ihre Sekretärin an.
    Bernd Drechsler trat ein. Er wirkte müde, das war Karen schon in den letzten Wochen aufgefallen. Sein Gesicht war eingesunken und grau, und sie vermisste den jungenhaften Glanz in seinen Augen. Von dem gewaltigen Energiebündel, das er, trotz seiner untersetzten Gestalt und den nun doch schon fünfzig Jahren, bislang immer noch war, fehlte jede Spur. Karen gestand sich ein, dass ihr diese Veränderung erst jetzt so richtig bewusst wurde. Dabei war Bernd Drechsler nicht nur ihr Hauptbuchhalter, sondern auch ein langjähriger Freund ihres Vaters.
    Karen bedeutete ihm, sich zu setzen. Drechsler folgte der Aufforderung. Die Mappe, die er bisher unter seinem Arm geklemmt hielt, legte er sorgfältig auf seine Knie.
    »Was gibt es denn, Bernd?«
    »Du weißt, dass sich das Finanzamt angekündigt hat. Eine Betriebsprüfung«, begann Drechsler.
    »Ja und?« Sie lachte. »Das erledigst du doch wie nebenbei.«
    »Normalerweise ja, aber . . .«, er zögert, »es gibt Probleme.«
    Karen sah ihn fragend an. »Was für Probleme?«
    »Karen . . .« Drechsler fiel es sichtlich schwer, mit der Sache herauszukommen. ». . . die Prüfer werden unter Umständen die Steuerfahndung benachrichtigen.«
    »Blödsinn, wieso sollten sie?« Karen schüttelte verständnislos den Kopf.
    »Weil sie entdecken könnten, dass gewisse Konten der Buchführung als Aufsammler von Scheinaufwendungen dienen. Die Beträge dieser Konten werden unterschlagen.«
    Karen blinzelte irritiert und wartete auf eine weiterführende Erklärung, weil das, was sie hörte, keinen Sinn für sie ergab. Unterschlagung? Absurd. Drechsler übertrieb! Er neigte manchmal zu drastischen Formulierungen, um die kaufmännischen Belange der Firma durchzusetzen, die sie seiner Meinung nach vernachlässigte.
    »Also gut, wo liegt das Problem nun wirklich? Warum jagst du mir so einen Schreck ein?«
    »Karen!« Drechslers Stimme wurde jetzt warnend. »Hör zu, was ich sage! In deiner Firma werden Unterschlagungen durchgeführt. Und ich selbst war an den Manipulationen beteiligt! Ich habe den Betrug gedeckt, indem ich über die Unterschlagungen schwieg.«
    Mit jedem Wort, das er sagte, wurde Karen klarer, dass er es ernst meinte. Fassungslos starrte sie ihn an.
    »Wer steckt dahinter?«
    Drechsler schwieg.
    »Wer, Bernd?« wiederholte sie die Frage eindringlich.
    »Das kann ich dir nicht sagen.« Drechsler schüttelte bedauernd den Kopf. »Ich versichere dir, es war niemals meine Absicht, dich zu hintergehen. Ich kann selbst nicht mehr verstehen, wie es dazu kam, aber ich kann versuchen, das Schlimmste zu verhindern: deinen Konkurs.«
    Karens Irritation war perfekt. Sie versuchte ruhig durchzuatmen und einen klaren Kopf zu bewahren, während Drechsler weitererzählte.
    »Ich kam durch Zufall hinter die Sache. Ich kenne alle Nummern des betrieblichen Kontoplanes. Diese kannte ich nicht. Zuerst glaubte ich an einen Zahlendreher, einen Tippfehler. Aber das war es nicht. Spätestens als ich sah, dass die Beträge von diesen Konten auf merkwürdige Weise aus der Firma verschwanden, war mir klar, was lief.«
    »Warum bist du in jenem Augenblick nicht zu mir gekommen?«
    »Ich dachte, ich könnte die Sache allein beheben, zumal ich herausfand, wer dahintersteckte. Aber das war ein fataler Irrtum. Zuerst hielt man mich hin. Dann, einmal geschwiegen, war ich faktisch Mitwisser und wurde damit erpresst. Es war ein ewiger Kreislauf. Aber ich kann und
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