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Unter Verdacht

Unter Verdacht

Titel: Unter Verdacht
Autoren: Julia Arden
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imposanten Rustikalschreibtisch, in seinem Rücken ein vollgestopftes ebenso rustikales Bücherregal. Dieses Bild löste in Sylvia jedesmal die Assoziation zu einem alten verschrobenen Gelehrten aus. Die linke Front des Raumes nahmen zwei hohe Fenster ein. An der gegenüberliegenden Wand stand lediglich ein altes Sideboard. Der dicke grüne Teppich im Zimmer vervollständigte den Eindruck einer urigen Gemütlichkeit, der jedoch, wie Sylvia wusste, sehr trügerisch war. Wenn Professor Bauer jemanden zu sich bat, dann ganz sicher nicht, um eine gemütliche Plauderei zu führen. Er genoss den Ruf eines fairen, aber auch anspruchsvollen Chefs. Wenn es notwendig war, konnte er sehr autoritär werden.
    Bauer erhob sich. Er sah seine junge Mitarbeiterin wohlwollend an, wie sie, groß, schlank, energisch, mit ihren typisch verhalten kraftvollen Bewegungen auf ihn zukam. Er mochte ihre besonnene, bestimmte Art. Es freute ihn immer wieder zu beobachten, wie bei Sylvia Intelligenz und Charakter so unkompliziert zusammentrafen.
    »Setzen Sie sich.« Bauer wies auf den Sessel vor seinem Schreibtisch.
    »Welches Attentat haben Sie diesmal auf mich vor?« fragte Sylvia ohne Umschweife.
    »Wie kommen Sie darauf?« erwiderte Bauer.
    »Na, Sie eisen mich doch nicht umsonst aus einem Seminar frei. Und außerdem – Sie haben diesen Wie-sag-ich-es-ihr-nur? -Blick in Ihren Augen.«
    Bauer lachte. Sylvia hatte ihn durchschaut.
    »Heute morgen rief mich Reeder an.« Bauer machte eine Pause. Sylvia wartete. Sie machte keine Anstalten, ihm mit einer Frage entgegenzukommen. Den Gefallen würde sie ihm nicht tun, seine »Überfälle« zu unterstützen. Bauer räusperte sich.
    »Er teilte mir mit, dass es ein, na, sagen wir mal mittelgroßes Problem beim Kießling-Projekt gibt.«
    »Davon hat er gestern Abend aber gar nichts erwähnt.«
    »Die Sache ist etwas heikel.«
    »Wie heikel?«
    »Sie wissen ja, die Mercura ist ein Immobilienunternehmen, das im Sinne ihrer Kunden größten Wert auf Renommee legt. Die Auswahl des Entwurfes wurde, ganz im Sinne Kießlings, unter dem Gesichtspunkt der technischen Innovation vorgenommen. Dies kollidiert leicht mit dem, was mir Reeder heute mitteilte. Nämlich, dass man unter enormem Zeitdruck steht.«
    »Wollen Sie damit dezent andeuten, dass man bei Kießling Finanzierungsprobleme hat?«
    Bauer sah Sylvia entsetzt an. »Malen Sie den Teufel nicht an die Wand!« rief er. Dann etwas ruhiger: »Nein, davon ist mir nichts bekannt. Da haben Sie mich völlig falsch verstanden, meine Liebe. Es gibt einen anderen Grund. Die Mercura steht beim Bauherrn Kießling im Wort, das Objekt zu einem festgesetzten Termin zu übergeben. Und was noch schwerer wiegt, man steht nicht nur im Wort, sondern auch unter Vertragsstrafe.«
    Sylvia sah überrascht auf. »Und wann ist der Termin?«
    »In elf Monaten.«
    Sylvia schüttelte heftig den Kopf. »Sie wissen, es ist nicht möglich einen Bau dieser Art in elf Monaten schlüsselfertig zu übergeben. Es handelt sich nicht um ein Einfamilienhaus, sondern um ein aufwendiges Gebäudeensemble. Welcher Idiot . . . ich meine, wie kann man sich denn überhaupt auf eine Vertragsstrafe festnageln lassen?«
    »Soweit ich weiß, gehört dieser bedauernswerte Herr nicht mehr dem Personalstamm der Mercura an.«
    »Und nun erwartet man von uns, dass wir die Kastanien aus dem Feuer holen.« Es war eine Feststellung, keine Frage.
    »Sie sagen es. Ich weiß, das Projekt ist bei Ihnen in guten Händen. Ich kann mich auf Ihre Fachkompetenz verlassen. Reeder wird Sie nachher genau informieren, Ihnen die ganze Sache noch einmal eindringlich ans Herz legen. Dass ›Candela & Partner‹ mitzieht, wird maßgeblich von Ihnen abhängen. Es wird nicht einfach werden. Aber ich weiß, Sie besitzen die Diplomatie, die notwendig sein wird, um zwischen allen Beteiligten zu vermitteln.«
    »Sie schmeicheln mir, damit ich Versprechungen mache, die nicht einzuhalten sind.«
    »Ich habe Reeder zugesagt.«
    Sylvia konnte sich kaum verkneifen, die Augen zu verdrehen. Schließlich war Bauer ihr Chef. Aber das war auch mal wieder eine typische Chefentscheidung. Unmögliches möglich machen! Diese Einstellung mochte ja von Grund auf nicht verkehrt sein, aber es gab nun einmal Grenzen.
    Bauer erklärte seine Entscheidung: »Wir können in dieser Sache viel gewinnen – einen Partner für die Zukunft. Und genau den können wir auch verlieren. Dreimal dürfen Sie raten, wofür ich mich entschieden habe. Auch Ihnen
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