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Unter Strom - ein Mira-Valensky-Krimi

Unter Strom - ein Mira-Valensky-Krimi

Titel: Unter Strom - ein Mira-Valensky-Krimi
Autoren: Wien/Bozen Folio Verlag
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ist mir passiert. Ich setze mich vorsichtig, langsamer, wieder in Bewegung.
    Wenige Minuten später stehe ich im Innenhof meiner Freundin. Sie kommt aus dem Haus, sieht mich besorgt an. „Na, du wollest es heute aber wissen! – War es noch feucht im Wald? Oder bist du gestürzt? Frühstück ist jedenfalls fertig. Ich muss in die Weingärten. Martina hat mich angerufen. Über der Hochlissen kreisen die Stare, wir haben das Netz noch nicht fertig gespannt.“
    Eine andere, im Weinviertel wohl realere, Bedrohung aus der Luft: Starenschwärme zur Lesezeit.
    „Die sind wahrscheinlich weg“, keuche ich. „Da waren Hubschrauber.“
    „Ja, ich hab mich gewundert …“
    „Eine Bundesheerübung. Muss man so etwas nicht ankündigen?“
    „War wohl bloß ein kleines Manöver. Wahrscheinlich wegen der Gasstation. Ich hab jedenfalls nichts davon gewusst.“ Eva sieht in die Luft, aber was ihr die Ruhe raubt, sind keine Hubschrauber. Eine halbe Stunde zu spät und die Vögel haben die Trauben eines großen Weingartens bis auf die letzte Beere abgefressen.
    „Ich geh erst einmal duschen“, sage ich.
    „Wird gut sein“, lächelt die Winzerin. „Ist wirklich alles in Ordnung mit dir?“ Ohne meine Antwort abzuwarten, pfeift sie. Und schon steht Reblaus, ihr freundlicher Schäferhund, wedelnd da. Bereit, mit ihr bis ans Ende der Welt zu fahren. Oder bis zur nächsten Rebzeile.
    Während ich das zweite Stück Schwarzbrot mit Butter und Käse verdrücke, blättere ich die Zeitungen durch. Keinerlei Hinweis auf eine Bundesheerübung. Was wird in Kriegen vor allem angegriffen? Munitionslager, Militärstützpunkte, wohl auch Versorgungszentren aller Art. Ehrlich gestanden habe ich wenig Ahnung. Ich vermute allerdings, dass es aktuell ohnehin wenige Nationen gibt, die unserem kleinen Österreich etwas antun wollen. Von mir aus bräuchten wir kein Bundesheer. Vielleicht eine Grenztruppe und natürlich eine Katastrophenschutzeinheit … Ob ich noch ein drittes Brot essen soll? Kalorien hab ich heute genug verbraucht. Und durch den Schreck wahrscheinlich doppelt so viele. Sei nicht gierig, Mira. Ich einige mich mit mir auf ein halbes Stück Brot mit Butter und Paradeiserscheiben aus Evas Garten. Eigentlich schade, dass ich heute zurück nach Wien muss. Bin ich schon gut genug, um im Prater zu joggen? Ich blättere den „Weinviertler Boten“ durch. Da, im linken Eck unter den Society-Events der Gegend, ein kleines Kästchen: „Übung des Bundesheers am 7. September im Gemeindegebiet von Treberndorf. Von acht bis elf Uhr ist die Feldgasse zwischen der Weingartengasse und der Golsdorfer Straße gesperrt.“ Das ist alles. Kein Hinweis auf die Gasstation, keine Angabe von Gründen. Rechts oben erfahren wir dafür, dass der Bürgermeister gemeinsam mit einer Abordnung des Gemeinderats einer Hundertjährigen gratuliert hat. Die Hundertjährige sieht deutlich frischer aus als der Großteil der Gemeindefunktionäre. Und wir lernen, dass ein Liebling der volkstümlichen Schlagerszene in der Veranstaltungshalle des Bezirks einen großen Erfolg gefeiert hat. Lächelnde Blondine mit Gitarre, umgeben von lächelndem Feuerwehrchef, Bezirksrauchfangkehrermeister, Baumeister nebst Gattin. – Was hat das Bundesheer bei der Gasstation gewollt?
    Am späten Nachmittag bin ich in unserer Wohnung in Wien. Gismo hat mich maunzend begrüßt und dann für meine zwei Taschen deutlich mehr Interesse gezeigt als für mich. Eva packt immer ein, als gäbe es in Wien eine Hungersnot: Paradeiser und Zucchini und Melanzani und Gurken und Endiviensalat aus ihrem Garten, ein Stück selbst geselchten Speck von ihren Eltern, Bauernbrot und als Draufgabe ein großes Stück von einer Schweinsschulter. Eines der klassischen Gegengeschäfte am Land: Eva hat Wein gegeben und ein halbes Mangalitza-Schwein bekommen. Und dann noch Verjus: ihr neuestes Produkt, ein saurer Saft, der aus unreifen Trauben erzeugt wird. War im Mittelalter weit verbreitet, wurde anstelle von Zitronen verwendet. Meine Weinkartons habe ich noch im Kofferraum in der Tiefgarage. Oskar wird in frühestens zwei Stunden auftauchen. Er habe noch einen wichtigen Klienten und müsse danach noch etwas für den morgigen Prozesstag vorbereiten. Er hat gehetzt geklungen, als ich mit ihm auf der Fahrt nach Hause telefoniert habe. Oskar ist ein vielbeschäftigter Wirtschaftsanwalt, aber er hat, anders als die meisten, nur eine kleine Kanzlei. Das bedeutet viel Arbeit. Auch er wird nicht jünger. Er sollte ein
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