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Unter Deutschen

Unter Deutschen

Titel: Unter Deutschen
Autoren: J Kennedy
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»Stimmt das?«
    Der Eintrag vom Tag der Ausreise aus Deutschland, dem 22. August 1937, endet im holländischen Doorn. Das Exil des Kaisers, notiert Kennedy, ist vollständig abgesperrt, »entirely surrounded by barbed wire«. Der deutsche Reisebericht mündet so in eine Bemerkung zur Katastrophe des vergangenen Weltmachtstrebens. Sein letztes Wort ist das Wort »Stacheldraht«.
1939 – Krieg
    Seine zweite Reise nach Deutschland unternimmt John F. Kennedy kurz vor dem Beginn des Zweiten Weltkrieges. Während sein Vater die USA als Botschafter in London vertritt, verbringt er ein Semester in Europa, um für seine Senior Thesis zu recherchieren, mit der er sein Studium in Harvard abschließen will. Ihr Thema ist die Nachgiebigkeit der Demokratien, die im Münchener Abkommen (vom 29./30. September 1938) Adolf Hitler das Sudentenland überließen: »Appeasement at Munich«. Der Politologie-Student befasst sich mit der Frage, wie der aggressiven Diktatur, die er zwei Jahre zuvor von innen erlebt hat, entgegenzutreten sei und wie ein Krieg, vor allem durch rechtzeitige Aufrüstung, vermieden werden könne. Im folgenden Jahr reicht er die Studie ein und veröffentlicht eine überarbeitete Fassung unter dem vielsagenden Titel »Why England Slept«. (Der Titel ist eine Variation auf Winston Churchills »While England Slept« aus dem Jahr 1938. Einem damals in Umlauf gebrachten Witz zufolge hätte er aber eher auf die Rolle des eigenen Vaters, Joseph P. Kennedy, gemünzt sein müssen, der die britische Politik der Beschwichtigung gegenüber Hitler befürwortete: »While Daddy Slept«.) Das Buch wurde ein Bestseller.
    Während er sich mit der Politik des englischen Appeasement und des amerikanischen Isolationismus beschäftigt, trifft Kennedy in der Pariser Botschaft der USA einen ihrer prominentesten Vertreter, der mit seinem Vater vertraut ist: den Flugpionier Charles Lindbergh. Lindbergh war mehrfach ins nationalsozialistische Deutschlandgereist, wo er von Hermann Göring eine Auszeichnung erhielt und sich ein Bild vom Aufbau der Luftwaffe machte.
    Als die Spannungen in Europa im Sommer 1939 zunehmen und allgemein mit dem Ausbruch eines Krieges gerechnet wird, setzt sich Kennedy intensiv mit Deutschland auseinander. Von London bzw. von Frankreich aus besucht er das Land auf mehreren Rundreisen durch den sich aufheizenden Kontinent, die zugleich halboffizielle Erkundungsmissionen im Dienst seines Vaters sind. In zum Teil hektischer Bewegung schreibt er kein fortlaufendes Tagebuch, sondern er schickt von unterwegs Lageberichte an den Botschafter und Briefe an seinen Freund Lem Billings.
    Zuerst begibt er sich nach Danzig, wo sich die Krise verdichtet und wenig später der Weltkrieg beginnen wird. In einem Brief an Billings über die »Freie Stadt«, die bereits zu Deutschland zu gehören scheint, schreibt Kennedy: »Danzig ist vollständig nazifiziert – jede Menge Heil Hitler usw.« Ein Befund, der bis in die Formulierung, »completely Nazified«, mit dem Urteil des bekanntesten US-amerikanischen Korrespondenten, William Shirer, übereinstimmt, das dieser anlässlich eines Aufenthalts in der umstrittenen Stadt am 11. August 1939 in seinem »Berlin Diary« festhielt.
    Kennedy nutzt die Möglichkeiten, die er als Beauftragter eines Botschafters hat: »Habe dort mit den Nazichefs und sämtlichen Konsuln gesprochen.« Es folgt eine Analyse in geostrategischer, politischer und diplomatischer Hinsicht, die ungleich komplexer und kohärenter ausfällt als die vereinzelten Beobachtungen im Tagebuch von 1937. Seine Ausführungen verdeutlicht er mit einer handgezeichneten Karte.
    Der junge Amerikaner setzt zwar irrtümlich darauf, dass Adolf Hitler kompromissbereit sei – sofern dieser sich gegen Außenminister Joachim von Ribbentrop »und die Radikalen« durchsetzen könne. Aber obwohl Kennedy noch hofft, dass es nicht zum Krieg kommen muss, wird seine Vorhersage für den gegenteiligen Fall zutreffen: »Sollte sich Deutschland zum Krieg entschließen, wird es versuchen, Polen in die Rolle des Aggressors zu drängen, und sich dann ans Werk machen.« Am 31. August 1939 täuschen deutsche Agenten einen polnischen Überfall auf den Sender Gleiwitz vor, der als Vorwand für den Angriff auf das Nachbarland dient und so den Zweiten Weltkrieg auslöst.
    In Briefen aus London vom 17. Juli 1939 und aus Berlin vom 20. August 1939 kommt Kennedy erneut auf die Danzig-Krise zu sprechen. Aus Berlin schreibt er, dass die Propaganda, die ihn schon
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