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Unter Deutschen

Unter Deutschen

Titel: Unter Deutschen
Autoren: J Kennedy
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des Bürgerkriegs sprach. Den Weg in einen Krieg konnte er erstmals studieren, als er im Sommer 1939 München, Berlin und Danzig besuchte: die Orte, an denen der Konflikt zunächst entschärft worden war, die Entscheidung zum Angriff fiel und der Überfall auf Polen begann. Den Anfang des Kalten Krieges erlebte er, als er sich 1945 in Potsdam aufhielt, während die Siegermächte dort über die Friedensordnung verhandelten.
    Auch Kennedys Verbindung zu Deutschland, sein öffentliches Eintreten für (West-)Berlin und sein vielzitierter Satz, den er am 26. Juni 1963 einer begeisterten Menge in deutscher Sprache zurief, sind vor dem Hintergrund seiner Kenntnis des Landes zu sehen.
    Im Verlauf seiner Reisen löste sich der spätere Präsident allmählich vom politischen Programm seines mächtigen Vaters, der dafür eintrat, dass die USA sich aus Europas Konflikten heraushalten und den Diktaturen nicht widersetzen sollten. Er wandelte sich vom Isolationisten zum Interventionisten.
    Bei Kennedys dreifacher Auseinandersetzung mit Nazi-Deutschland handelt es sich um die frühen Erfahrungen eines späteren Weltpolitikers, die im Rückblick bedeutend werden, aber auch um historische Zeugnisse, die als solche bedeutsam sind. Denn sie geben zunächst beispielhaft Aufschluss darüber, wie ein Amerikaner die deutsche Diktatur erleben konnte – vor Ort, zu verschiedenen Zeitpunkten; und wie er seine Beobachtungen aufgeschrieben hat – unmittelbar, in wechselnden Formen.
    Wie also hat John F. Kennedy 1937, 1939 und 1945 das »Dritte Reich« wahrgenommen – in der Phase der Konsolidierung, vor dem Angriffskrieg und nach dem Untergang? Welche Einsichten enthalten seine Aufzeichnungen? Aber auch welche Fehleinschätzungen und welche blinden Flecken werden nachträglich sichtbar?
1937 – Diktatur
    Nach seinem ersten Studienjahr in Harvard unternimmt der zwanzigjährige John »Jack« Kennedy (geboren am 29. Mai 1917) im Sommer 1937 zusammen mit seinem Schulfreund Kirk LeMoyne »Lem« Billings (1916–1981) eine ausgedehnte Bildungsreise: eine Grand Tour durch Europa. In Kennedys Ford-Cabriolet, das sie überführen, fahren Jack und Lem durch Frankreich, zur spanischen Grenze, nach Italien, Österreich und Deutschland und schließlich über die Niederlande und Belgien, mit dem Schiff, nach England.
    Unterwegs führt Kennedy ein Journal. In ein gebundenes Heft mit dem aufgedruckten Titel »My Trip Abroad« schreibt er auf rund einhundert Seiten tageweise datierte Einträge, die er nachträglich offenbar nicht mehr bearbeitet, so dass sie ein unverfälschtes Abbild seiner damaligen Sichtweise geben. Dieses Reisetagebuch hat verschiedene Dimensionen: eine private, eine kulturelle und eine politische.
    Vordergründig haben die College-Schüler in ihren Sommerferien vor allem Spaß. Sie treffen Bekannte, gehen in Kinos, feiern in Bars. So suchen sie in München das Hofbräuhaus auf, anschließend nocheinen Nachtclub, und sie sehen sich einen Hollywoodfilm an: »Swing High, Swing Low«, eine Liebesgeschichte mit Carole Lombard.
    Insbesondere ist immer wieder von Frauen die Rede. Die Fahrt ins »Dritte Reich« beginnt mit einer süffisanten Bemerkung: »Picked up a bundle of fun« (»Gabelten ein Spaßbündel auf« bzw. »Luden eine Fuhre Vergnügen auf«). Gemeint ist wohl eine nicht identifizierte junge Frau, die sie unterwegs mitgenommen haben. Vermutlich ist es diese Reisebekanntschaft, auf die Kennedy in der Folge wiederholt eingeht: »Her Ladyship«, bemerkt er zweimal sarkastisch, sei mit der schlichten Unterkunft nicht zufrieden gewesen. Es könnte allerdings auch sein, dass er mit diesem spöttischen Titel seinen mutmaßlich homosexuellen Freund Billings meint, für den er immer wieder neue Spitznamen erfindet.
    Denn während Kennedy auf Affären aus ist (im Tagebuch ist die Rede von zahlreichen Flirts und Dates und sexuellen Eroberungen), muss es Billings anders ergangen sein. Lem soll Jack in der Schule Avancen gemacht haben, die dieser lapidar zurückwies, ohne dass es die Beziehung der beiden gestört hätte. Billings besuchte Kennedy als dessen engster Freund noch im Weißen Haus, wo ihm ein Gästezimmer zur Verfügung stand.
    Im Tagebuch erscheint der Reisegefährte als komische Figur. Billings ist Kennedys Sidekick , über den sich der Millionärssohn liebevoll lustig macht, wenn er ausgerechnet in der Wallfahrtsstadt Lourdes krank wird, nach französischem Essen riecht oder einen Spurt einlegen muss. In Notre-Dame wartet der
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