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Unter dem Eis

Unter dem Eis

Titel: Unter dem Eis
Autoren: Gisa Klönne
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Jungen und scheint wirklich unter seinem Verschwinden zu leiden. Aber was ist mit ihrem Mann? Sind Stiefväter potentielle Täter? Ist das der Grund, weswegen sein Chef ein innerfamiliäres Gewaltverbrechen in Betracht zieht? Manni mustert Stadler, der sich mit der Rechten über Stirn und Stoppelhaar fährt. Augenblicklich bilden sich an seinem Haaransatz neue Schweißperlen. Er ist noch jung, etwa so alt wie Manni selbst, um die 30 , und die beiden Rotznasen haben sichtbar keinen Respekt vor ihm. Aber was heißt das schon? Vielleicht war Stadler auf den pubertierenden Stiefsohn eifersüchtig, betrachtete ihn als einen Konkurrenten in seinem Heim, den es wegzubeißen galt? Einen Moment lang denkt Manni an seinen eigenen Vater. Ist der jemals jung und lustig gewesen? Hat er sich je für seinen einzigen Sohn interessiert? Manni kann sich nicht daran erinnern. Überhaupt ist esviel zu heiß und stickig, um sich auf mehr als eine Sache zu konzentrieren.
    »Seit wann lebt Jonathan bei Ihnen?«
    »Seit drei Jahren.« Frank Stadler räuspert sich. »Ich weiß schon, was Sie als Nächstes fragen wollen. Ja, es war schwierig, natürlich war es das, was glauben Sie denn? Ein trauernder Junge, wir selbst unter Schock, meine Frau und ihre Schwester standen sich sehr nahe, und unsere Marlene war damals erst ein paar Monate alt.« Wieder wischt er sich mit dem Handrücken über die Stirn. »Es war also schwierig, und zweimal ist Jonny auch abgehauen, im ersten Jahr, wollte sein altes Zuhause noch mal sehen. Aber das ist vorbei, glauben Sie mir. Wir haben das alle zusammen geschafft. Meine Frau hat Recht. Dass er jetzt verschwunden ist, hat nichts mit damals zu tun.«
    »Wo ist dieses alte Zuhause denn?«, fragt Manni. Egal was Stadler sagt, natürlich muss man auch den früheren Wohnort des Jungen überprüfen. Rein statistisch gesehen verzeichnet das KK 66 des Kölner Polizeipräsidiums jährlich 2400 Vermisstenanzeigen. Aber die wenigsten Vermissten sind wirklich verschwunden. Jugendliche, gerade wenn sie aus zerrütteten Verhältnissen stammen, kommen und gehen, auch wenn die Eltern natürlich immer schwören, dass alles in Ordnung ist. Aber was wissen die schon von ihren Kindern?
    »Jonny lebte früher in der Eifel«, sagt Stadler mit schmalen Lippen. »In Daun, wenn Sie es genau wissen wollen.«
    »Ich brauche die Adresse. Und möglichst auch die von früheren Freunden dort.«
    »Jonny ist nicht in der Eifel, er wäre dort nicht hingefahren, ohne uns zu informieren«, sagt Stadler mühsam beherrscht. »Sicherheitshalber haben wir trotzdem mit Bekannten in Daun telefoniert. Niemand hat ihn gesehen.«
    »Hatten Sie Krach, bevor er verschwand? Hat etwas den Jungen bedrückt?«
    »Nein, nichts.« Beide Stadlers schütteln den Kopf.
    »Ist er gesund? Intelligent?«
    »Warum fragen sie das? Ja.«
    »Sportlich?«
    Nicken.
    »Zuverlässig?«
    »Absolut.«
    »Aber früher ist er manchmal weggelaufen, das haben Sie selbst gerade gesagt.«
    »Herrgott, weil es damals so war. Damals, verstehen Sie, vor drei Jahren. Als er sich hier noch nicht eingelebt hatte. Wenn ich gewusst hätte, dass Sie unsere Ehrlichkeit zum Anlass nehmen wollen, nicht nach dem Jungen zu suchen, hätte ich Ihnen das natürlich verschwiegen.«
    Nach allem, was Manni in den letzten Monaten über verschwundene Jugendliche gelernt hat, ist es sehr gut möglich, dass Jonny erneut fortgelaufen ist. Aber vielleicht auch nicht. Manni fühlt kalten Schweiß in seinem Nacken. Was, wenn er die Gefährdung des Jungen falsch einschätzt? Was, wenn der Junge entführt wurde, wenn er irgendwo in einem Erdloch hockt, womöglich verletzt und außer sich vor Angst?
    »Seine Taschenlampe.« Martina Stadler schluchzt auf. »Jonnys Taschenlampe lag noch in seinem Bett. Aber das kann doch eigentlich nicht sein, er vergisst sie nie, er kann doch nicht einschlafen ohne seine Taschenlampe.«
    Ruhig bleiben, Mann, ruhig bleiben. Manni atmet tief durch. »Kann ich diese Taschenlampe mal sehen?«
    Schluchzen.
    »Bitte, Martina, zeig sie dem Kommissar.« Behutsam, als fürchte er, sie zu verletzen, langt Frank Stadler über den Tisch und beginnt, die Finger seiner Frau von dem Gegenstand zu lösen, an den sie sich klammert.
    »Ich habe Jonnys Bettdecke aufgeschüttelt, da ist sie runtergefallen.« Martina Stadlers ganzer Körper bebt jetzt, sie ist kaum zu verstehen. »Ich habe sie sofort aufgehoben und sie funktioniert noch, aber das Glas ist kaputt.«
    »Nur ein Sprung. Jonny wird das
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