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Unter dem Eis

Unter dem Eis

Titel: Unter dem Eis
Autoren: Gisa Klönne
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nicht der Grund, warum Elisabeth auf einmal so unkontrolliert zu zittern beginnt. Dem Dackel fehlt das rechte Ohr. Jemand muss es abgetrennt haben, vor kurzem erst, mit einem Messer, denn an der geraden Schnittfläche klebt Blut.

    Als sein freies Wochenende frühzeitig beendet wird, sitzt Kriminalkommissar Manfred Korzilius im Maybach-Biergarten und überlegt, ob er die katzenäugige Blonde mit dem rosa Fummel, die sich mit ihrer weitaus weniger attraktiven Freundin am Tresen räkelt, ansprechen soll oder nicht. Wenn er sich ranschmeißt, riskiert er einen Korb. Andererseits sehen die beiden so aus, als wären sie für etwas Abwechslung durchaus dankbar. Und wer nichts wagt … Die Frage ist natürlich immer, ob sich der Einsatz lohnt. Jetzt dreht Miss Katzenauge eine silberne Spange ins Haar und fächert sich mit der Getränkekarte Luft zu. Sehr hübsch. Das Vibrieren von Mannis Handy wird aufdringlicher, fordert, dass er sich jetzt, sofort, darum kümmert. Was soll’s, denkt er, als er sein Nokia aufklappt, eigentlich ist es sowieso zu heiß für Sex.
    »Tut mir leid, dass ich stören muss«, bellt die Stimme von Thalbach, seinem neuen Chef.
    »Ich hab heute keine Bereitschaft.«
    »Das weiß ich, aber ich habe eben mit Millstätt gesprochen, und wir sind beide der Meinung, dass du der richtige Mann für diesen Einsatz bist.«
    »Aha«, sagt Manni und ärgert sich, dass ihm nichts Intelligenteres einfällt. Wieso, verdammt noch mal, beruft sich Thalbach auf den Leiter der Mordkommission? Steht Manni nun endlich die Rückversetzung ins KK 11 bevor, um die er sich seit Monaten bemüht? Und warum ruft Millstätt dann nicht selbst an?
    »Ein Junge ist verschwunden«, verkündet Thalbach mit sonorer Stimme. »In den Aussagen der Eltern gibt es Ungereimtheiten. Einiges deutet darauf hin, dass ein innerfamiliäres Tötungsdelikt vorliegen könnte, da käme deine Erfahrung vom KK 11 ins Spiel. Die Eltern können einfach nicht genau sagen, seit wann ihr Sohn verschwunden ist. Irgendwann am Wochenende, während eines Zeltlagers, das er mit seinem Vater besucht hat, der übrigens nicht der leibliche Vater ist.«
    Ausgerechnet jetzt, da klar ist, dass das mit einer heißen Sommernacht nichts werden wird, sieht Miss Cateye zu ihm hinüber, und zwar durchaus nicht uninteressiert. Manni wirft ihr einen langen Blick zu und versucht, sich auf das Telefongespräch zu konzentrieren. Er trinkt einen Schluck Radler und verzieht das Gesicht. Warm und abgestanden, dabei sitzt er gerade einmal zehn Minuten hier. Er schiebt das Glas zur Seite und winkt der Kellnerin.
    »Wie alt ist der Junge?«
    »Vierzehn.«
    »Vielleicht ist er bei seinen Kumpels. Baden. Oder bei seiner Freundin.«
    »Das scheint nicht der Fall zu sein. Fahr bitte zu den Eltern und sprich mit ihnen. Verschaff dir einen Eindruck von der Situation.«
    »Für wen arbeite ich?«
    »Für mich. Vorläufig jedenfalls. Und hoffen wir für diese Familie, dass es dabei bleibt.«
    Und wenn sich rausstellt, dass der Junge tot ist, komme ich dann mit diesem Fall zurück ins KK 11 ? Die Frage brennt Manni förmlich auf der Zunge, aber er stellt sie nicht. Das letzte halbe Jahr hat ihn Vorsicht gelehrt. Gleich nachdem seine erste gemeinsame Ermittlung mit Judith Krieger auf einer Waldlichtung im Bergischen den Bach runtergegangen war, hat Millstätt ihm eröffnet, dass er in die Vermisstenabteilung versetzt wird. Vorübergehend, nur um einen Personalengpass abzufangen. Eine fromme Lüge, die Manni bis heute nicht glaubt. Judith Krieger hat sich beurlauben lassen, um in sich zu gehen und ihre lädierte Psyche zu hätscheln, und er darf derweil Buße bei den Personenfahndern tun, statt Karriere zu machen, so sieht es aus. Eine himmelschreiende Ungerechtigkeit, denn schließlich war es die Krieger, die damals alle Dienstanweisungen ignorierte. Trotzdem darf sie, wenn sie ineiner Woche zurückkommt, wieder ins KK 11 . Millstätt frisst ihr eben wie eh und je aus der Hand.
    »Hast du noch Fragen?« Thalbachs Stimme holt Manni zurück in die Gegenwart. Manni betrachtet sein Radler, das dasteht, als habe es niemals so etwas wie eine Schaumkrone besessen. Warum nicht ein bisschen pokern, wenn sie ihm schon übel mitspielen? Allzu viel Enthusiasmus schuldet er ihnen momentan nicht, und seine Lust, sich quer durch die Stadt zum Fuhrpark des Präsidiums zu quälen, tendiert gegen null.
    »Ich sitze im Biergarten und habe Alkohol getrunken.«
    »Viel?«
    »Na ja, geht so, Radler.«
    »Bestell
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