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Unter dem Banner von Dorsai

Unter dem Banner von Dorsai

Titel: Unter dem Banner von Dorsai
Autoren: Gordon R Dickson
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– so Torre – würde man auf etwas stoßen, auf eine Qualität, eine Fähigkeit oder eine Kraft. Man würde in den tiefsten und verborgensten Gründen des Erdenmenschen, in seinem Grundstock, etwas finden, was diesem Menschen ganz allein gehört, etwas, das den zersplitterten Menschentypen der Neuen Welten entweder verlorengegangen oder nicht mehr greifbar war, obwohl sie dennoch drauf und dran waren, ihre Vorfahren körperlich und geistig zu überrunden.
    Indem ich all dies vernahm, erinnerte ich mich an das merkwürdige Aussehen und an die ebenso merkwürdigen Worte Lisas, die sie vorher an mich gerichtet hatte. Ich schaute mich im Vorübergehen in all den überfüllten Räumen um, die mir seltsam vorkamen und wo sowohl Bauarbeiten als auch die subtilsten Laborversuche in vollem Gang waren. Und wieder tauchte dieses merkwürdige, fast unangenehme Gefühl in mir auf. Doch nicht nur, daß es mich unvermutet überkam, es blieb und gedieh und weitete sich aus und wurde zu einer Art Bewußtsein, als wäre die ganze Enzyklopädie zu einem gewaltigen lebenden Organismus geworden, in dessen Mittelpunkt ich stand.
    Instinktiv kämpfte ich gegen dieses Gefühl an. Denn alles, was ich mir in meinem bisherigen Leben gewünscht hatte, war Freiheit – ich wollte frei sein, ohne jede menschliche oder mechanische Einwirkung irgendwelcher Art. Doch das Gefühl in mir wuchs weiter, und es hörte nicht auf, selbst dann nicht, als wir schließlich das Indexzimmer betraten, das im Weltraum eines Tages genau im Mittelpunkt der Enzyklopädie liegen würde.
    Der Raum erwies sich als eine riesige Kugel, so gewaltig, daß die gegenüberliegende Wand in nebelhafter Ferne lag, als wir eintraten, bis auf all die blinkenden Lichter, die wie Glühwürmchen in einer Sommernacht leuchteten und das Erstellen neuer Fakten im empfindlichen Aufzeichnungsmaterial der Innenfläche signalisierten, jener endlosen Fläche, die sich über uns wölbte und die gleichzeitig Wand, Decke und Boden darstellte.
    Der ganze Innenraum dieser gewaltigen Kugel war leer, doch gingen Rampen von allen Eingängen aus und führten in den Raum hinein und hinauf, Rampen die sich in graziösen Kurven bis zu einer kreisförmigen Plattform schwangen, die inmitten des sonst leeren Raumes genau im Mittelpunkt stand.
    Über eine dieser Rampen führte uns jetzt Lisa nach oben, bis wir die Plattform erreichten, deren Durchmesser etwa zehn Meter betrug.
    „… Hier, wo wir jetzt stehen“, sagte Lisa, als wir auf der Plattform anhielten, „befindet sich jener Punkt, der später als Transitpunkt bezeichnet wird. Im Weltraum erfolgen sämtliche Verbindungen nicht nur um die Wände des Indexraums herum, sie werden auch durch diesen zentralen Punkt gelegt. Und von diesem zentralen Punkt aus wird man einst versuchen, die Enzyklopädie nach der Theorie von Mark Torre einzusetzen, um das geheime Wissen unseres erdhumanen Geistes zu entschleiern.“
    Sie hielt inne und drehte sich um, wobei sie jeden einzelnen der Gruppe fixierte.
    „Schließen Sie bitte dicht auf“, sagte sie. Für einen Moment streifte ihr Blick den meinen – und ganz plötzlich und unerwartet schlug das Gefühl, das ich der Enzyklopädie gegenüber empfand, wieder hohe Wellen. Mich überlief es kalt, wie eine Art Angstgefühl, und ich erstarrte.
    „Nun“, fuhr sie fort, als wir alle dicht beieinander standen, „möchte ich Sie bitten, etwa sechzig Sekunden lang absolut still zu sein und zu horchen. Spitzen Sie einfach die Ohren und achten Sie darauf, ob Sie etwas hören können.“
    Alles schwieg, und die große, unberührbare Stille dieses gewaltigen Raumes umfing uns alle. Sie hüllte uns ein, und jenes merkwürdige Gefühl in mir schoß urplötzlich hoch und gipfelte in einer namenlosen Angst. Höhen oder Entfernungen hatten mir noch nie etwas ausgemacht, ich hatte nie Höhenangst gekannt, doch plötzlich wurde mir jene bodenlose Leere bewußt, die mir unterhalb der Plattform entgegengähnte, all jener Raum, der mich umschloß. Mir wurde schwindlig, mein Herz schlug wie rasend, und ich war einer Ohnmacht nahe.
    „Und was sollen wir nun hören, wenn ich fragen darf?“ warf ich überlaut ein, nicht so sehr wegen der Frage an sich, sondern um diesem Gefühl zu entkommen, das mich mitzureißen und meiner Sinne zu berauben drohte. Ich stand dicht hinter Lisa, als ich diese Frage stellte. Sie drehte sich um und schaute mich an, und wieder war dieser Schatten da, der Schatten in ihren Augen und dieser
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