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Unsichtbare Blicke

Unsichtbare Blicke

Titel: Unsichtbare Blicke
Autoren: Frank Maria Reifenberg
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sogar besser als mit Felix, wusste ich nicht.
    «Sicher?», fragte ich sehr leise. Die Erleichterung wogte in sanften Wellen durch mich; sie nahm mir die Luft, es war befreiend, und doch mischte sich noch etwas von der Angst darunter.
    «Ganz sicher. Der DNA -Test ist eindeutig. David Wester ist nicht dein Vater.» Sie legte den Arm um meine Schultern. «Glück gehabt», fügte sie hinzu und verzog das Gesicht.
    Mir war klar, was sie mit dieser Miene sagen wollte. Er hatte auch bei den anderen Mädchen einen DNA -Test machen lassen. Nach dem negativen Ergebnis hatte er sie umgebracht. Sie waren die Falschen gewesen. Ich wäre auch die Falsche gewesen.

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    Nachbemerkung
    Die erste Idee zu diesem Buch erwuchs aus einer Meldung in einer Tageszeitung: Ein Mann hatte über hundert Mädchen über ihre eigene Webcam ausspioniert. Er war wochenlang, teilweise auch über Monate «zu Gast» bei seinen Opfern, sobald diese ihren Computer starteten. Mit einer kleinen Software, die sich hinter scheinbar harmlosen Dateien versteckte, konnte er die Webcams steuern. Das Entsetzen und der Schock bei den Betroffenen waren groß, als die Sache aufflog. Der Täter wurde überführt und verurteilt. Er hatte sich – anders als in diesem Roman – glücklicherweise mit dem «bloßen» Beobachten seiner Opfer aus der Ferne begnügt.
    Dieser Voyeurismus ist allerdings schlimm genug. Viele der Opfer litten lange Zeit unter den psychischen Folgen dieser Form des Missbrauchs, fühlten sich verfolgt und ängstigten sich beim ganz alltäglichen Gebrauch des Computers und des Internets. Wie leicht ein solches Eindringen in die Privatsphäre anderer ist, demonstrierte Monate später auch die Redaktion des TV -Magazins
stern tv
. Mit der Hilfe eines Fachmanns drangen sie in ähnlicher Weise in Computer einiger Zuschauer ein und konfrontierten sie später mit den Ergebnissen. Große Augen und große Ungläubigkeit waren die Reaktionen!
     
    Die Hintergrundgeschichte des Täters in diesem Buch, auch die mit
Kleinsdorff
bezeichnete Einrichtung, in der er seine Kindheit verbracht hat, sind frei erfunden. Nicht erfunden, sondern eine Tatsache ist der brutale und unmenschliche Umgang der DDR -Behörden mit den Kindern von Menschen, die sich dem Regime nicht unterwerfen wollten oder in irgendeiner anderen Form nicht ins System passten. Solchen Familien wurden die Kinder oftmals entzogen, allemal bei Fluchtversuchen aus der DDR , der sogenannten «Republikflucht». Aber auch Jugendliche, die sich nicht einfügen, ein Leben nach eigenen Vorstellungen führen wollten, ohne Bevormundung durch die Organisationen der Staatspartei oder des Staats, wurden in vielen Fällen erbarmungslos verfolgt und in «Jugendwerkhöfe», die Vorbild für
Kleinsdorff
waren, gesperrt. Dort waren sie allen Formen des Missbrauchs, der Unterdrückung, der schlimmsten körperlichen und seelischen Gewalt ausgesetzt. Viele dieser Menschen leiden bis heute unter den Folgen – ohne deshalb zum Serienmörder geworden zu sein.

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Über Frank Maria Reifenberg
    Frank Maria Reifenberg, im Westerwald aufgewachsen, seit 20 Jahren Wahlkölner, nach dem Abitur Ausbildung zum Buchhändler, danach Texter in Public-Relations-Agenturen, später mit eigener Agentur, zum Jahrtausendwechsel noch einmal von vorne begonnen: Ausbildung an der Internationalen Filmschule Köln. Schreibt seit über zehn Jahren Drehbücher und Konzepte für Film und Fernsehen, Romane und Erzählungen oder auch mal das Libretto für eine Jugendoper, wenn man ihn – wie die Bayerische Staatsoper – darum bittet.

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Über dieses Buch
    «Du bist ein Schwein», flüsterte ich. «Kannst du mich auch hören?»
    «Nein», antwortete er. Dann begann er, sich zu entschuldigen, es schönzureden; dass er auf mich aufgepasst hätte, nicht mehr, nur aufgepasst. Ich starrte auf den Bildschirm, in die winzige Kamera. Sollte er so viele Bilder von mir machen, wie er wollte. Sollte er die Tränen sehen. Und die Wut. Und die Verachtung. «Wer bist du?», schrie ich. Immer wieder. Wer bist du. Wer. Wer. Wer. Bist. Du.

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Impressum
    Rowohlt Digitalbuch, veröffentlicht im Rowohlt Verlag, Reinbek bei Hamburg, März 2012
    Copyright © 2012 by Rowohlt Verlag GmbH, Reinbek bei Hamburg
    Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt, jede Verwertung bedarf der Genehmigung des Verlages
    Die Zitate auf den Seiten 62 und 291/292 aus «Madame Bovary» von Gustave
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