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Ungezaehmte Begierde

Ungezaehmte Begierde

Titel: Ungezaehmte Begierde
Autoren: Pamela Palmer
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sie anfangen, Menschen zu überfallen.
    Wenn es aber dazu kam, würden sie die Menschen vernichten, bevor diese überhaupt wussten, was mit ihnen geschah.
    »Schnappen wir sie uns, Jungs«, sagte Jag.
    »Ich mache den ersten Köder.« Tighe zog seine Messer hervor. Einer von ihnen musste in seiner menschlichen oder therianischen Gestalt bleiben, damit die Drader nicht davonflogen. Aber als erster Köder würde er heftig um sein Leben kämpfen müssen.
    Plötzlich stellte er entsetzt fest, dass sich ein dunkler Schleier vor seine Augen senkte. Tighe gefror das Blut in den Adern.
    Er konnte nichts mehr sehen. »Was, zum Teufel, ist das?«
    »Was ist los?«, fragte Wulfe neben ihm, als wenn nichts wäre.
    Mist . Er spürte das Pochen seiner Halsschlagader. Offenbar ging es nur ihm so. Sein Augenlicht war erloschen. Vollkommen. War das der erste Schritt? War er gerade dabei, den Verstand zu verlieren?
    So schnell, wie seine Sehfähigkeit verschwunden war, tauchte sie auf einmal wieder auf, doch seine Erleichterung war nur von kurzer Dauer. Eigentlich sah er immer noch nichts. Wie ein Film auf einer Leinwand lief vor seinen blinden Augen eine Szene ab.
    In einem Raum, in dem nichts als ein Dutzend Waschmaschinen und Trockner auf einem Betonboden standen, brannte ein hartes, grelles Licht. Ein Wäschekeller. Zwei stämmige Frauen arbeiteten dort; die eine holte gerade nasse Wäsche aus einer Waschmaschine und stopfte sie in einen Trockner, die andere stand vor einem Tisch und faltete Kleider zusammen. Die Stehende blickte ihn mitfühlend und gleichzeitig voller Zurückhaltung an.
    »Hi«, sagte sie vorsichtig.
    Auf einmal wurde ihr Gesicht größer, als würde eine Kamera es heranzoomen, und dann riss sie panisch die Augen auf, während der Raum hinter ihr verschwand. Als hätte er sie angegriffen und auf den Boden geworfen.
    War das eine Vision? Himmel hilf mir! Würde das aus ihm werden?
    Hinter ihr stieß die andere Frau einen markerschütternden Schrei aus. »Nein!« Sein Opfer warf die Hände hoch, und der Schrecken in ihren Augen rief scheußliche, lang verdrängte Erinnerungen in ihm wach.
    Erinnerungen an eine andere Zeit, an einen anderen Ort.
    Sein Magen verkrampfte sich, bis er glaubte, er müsse sich übergeben. Aber er konnte die Tatsachen nicht leugnen. Er schien allmählich wirklich zu dem zu werden, dessen man ihn all die langen, schrecklichen Jahre angeklagt hatte.
    Zu einem Monster.
    *
    FBI-Agent Delaney Randall schritt auf die Potomac-Side-Apartments im Südwesten von D.C. zu. Sie hielt ihr Notizbuch fest umklammert und brannte darauf, den Mistkerl zu finden, der in den vergangenen drei Tagen mehr als ein Dutzend Frauen und Kinder umgebracht hatte.
    Sie wollte ihn aufhalten, bevor er wieder tötete.
    Es war spät, beinahe zehn Uhr abends. Die letzten drei Morde hatten hier in der näheren Umgebung stattgefunden, und sie hatte den ganzen Tag damit zugebracht, die Nachbarwohnungen zu überprüfen, die Bewohner zu verhören und nach Hinweisen zu suchen. Irgendjemand musste doch etwas wissen. Sie war hundemüde, aber solange ihr Körper noch in der Lage war, sich irgendwie vorwärtszubewegen, würde sie nicht Feierabend machen.
    Nicht, solange der Mörder noch auf freiem Fuß war.
    Und das konnte leider noch eine ganze Weile dauern. Trotz der Vielzahl der Getöteten gab es kein wirkliches Beweismaterial. Bislang hatten sich auch keine Zeugen gemeldet, und abgesehen von den Bissspuren am Hals der Opfer war keine DNA zu finden. Selbst die Todesursache blieb ein Rätsel. Es war, als hätte Gott mit seinem Finger auf jede dieser Personen gezeigt und gesagt: »Deine Zeit ist abgelaufen.«
    Während sie auf das Apartmenthaus zulief, wehten ihr ein paar lose Haarsträhnen ins Gesicht. Ein Mann in Polohemd und Khakis kam ihr entgegen, sein freundliches Gesicht wurde von der Straßenlaterne beleuchtet. Weiß, männlich, Ende zwanzig, offenbar nicht bewaffnet. Ihr Gehirn speicherte sein Bild als das eines weiteren Verdächtigen.
    Er schenkte ihr ein strahlendes Lächeln. »Guten Abend.«
    Aber Delaney hatte ihn bereits abgehakt und ihren Blick einer Horde rauchender Jugendlicher zugewandt, die auf den Eingangsstufen herumsaßen.
    »Zicke.« Das leise Murmeln stammte aus dem Mund des Mannes, an dem sie gerade vorbeigegangen war.
    Ihr Blick fuhr zu ihm zurück, und eine Hand zuckte zu der Waffe an ihrer Hüfte. Aber der Mann schritt zielstrebig davon, ohne sich noch einmal umzudrehen.
    Zicke , so hatte er sie genannt.
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