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Unearthly. Dunkle Flammen (German Edition)

Unearthly. Dunkle Flammen (German Edition)

Titel: Unearthly. Dunkle Flammen (German Edition)
Autoren: Cynthia Hand
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des Wagens. Es ist ein wuchtiger Pick-up mit einer kurzen zugedeckten Ladefläche. Er gehört dem Jungen. Irgendwie weiß ich es.
    Guck auf das Nummernschild, nehme ich mir fest vor. Konzentrier dich darauf.
    Das Nummernschild ist hübsch. Es ist vorwiegend blau: Himmel mit Wolken. Auf der rechten Seite dominiert ein felsiger Berg mit flacher Kuppe, der irgendwie vertraut aussieht. Links erkennt man die schwarze Silhouette eines Cowboys auf einem bockenden Pferd, der seinen Hut in die Luft schleudert. Das habe ich schon einmal gesehen, aber auf Anhieb kann ich es nicht zuordnen. Ich versuche, die Nummer auf dem Schild zu lesen. Zuerst sehe ich nur die Zahl ganz links: 22. Und dann den Rest des Kennzeichens auf der anderen Seite des Cowboys: 99CX.
    Jetzt hätte ich eigentlich wahnsinnig glücklich sein müssen, ganz verrückt vor Freude darüber, dass mir eine solch enorm wichtige Information einfach so zugefallen ist. Aber ich bin immer noch in der Vision gefangen. Ich drehe mich weg von dem Pick-up und gehe schnell zu den Bäumen hinüber. Rauch zieht über den Waldboden. Irgendwo in der Nähe höre ich ein Knacken wie von einem fallenden Ast. Dann sehe ich den Jungen, genauso wie immer. Er hat mir den Rücken zugekehrt. Plötzlich züngelt das Feuer an der Spitze des Hanges. Die Gefahr ist so offensichtlich, so nah.
    Die erdrückende Traurigkeit sinkt auf mich herab wie ein fallender Vorhang. Meine Kehle wird eng. Ich will seinen Namen rufen. Ich mache einen Schritt auf ihn zu.
    «Clara? Bist du okay?»
    Die Stimme meines Vaters. Ich kehre in meinen Körper zurück. Ich lehne mich an den Kühlschrank und starre aus dem Küchenfenster nach draußen, wo ein Kolibri in der Nähe des Vogelhäuschens meiner Mutter herumflattert, ein verschwommenes Schwirren von Flügeln. Er schießt hinein, nimmt einen Schluck Wasser, dann flattert er davon.
    «Clara?»
    Er klingt besorgt. Immer noch ganz benommen, nehme ich das Telefon wieder ans Ohr. «Papa, ich rufe dich später zurück.»

[zur Inhaltsübersicht]
    Dort drüben liegt Jackson Hole
    Die Straße nach Wyoming ist ein einziger Schilderwald. Auf den meisten Schildern wird vor einer Gefahr gewarnt: Achtung Wildwechsel. Achtung Steinschlag. Lastwagenfahrer: Bremsen überprüfen. Auf Straßensperrungen achten. Ab hier auf Elche achten. Schneerutschgebiet, Halten und Parken verboten. Den ganzen Weg von Kalifornien fahre ich in meinem Wagen hinter Mamas Auto her; Jeffrey sitzt neben mir. Und ich gebe mir große Mühe, beim Anblick der ganzen Schilder, die mir zeigen, dass wir in einer unzivilisierten, gefährlichen Gegend unterwegs sind, nicht auszuflippen.
    Im Augenblick fahre ich durch einen Wald aus Drehkiefern, was mir total unwirklich vorkommt. Genauso wenig kann ich mich an den Anblick all der Nummernschilder der Autos gewöhnen, die an uns vorbeifahren und von denen viele links die ominöse Zahl 22 aufweisen. Diese Zahl hat uns hierhergebracht, nach sechs kurzen Wochen hektischer Vorbereitung; wir haben unser Haus verkauft, uns von den Freunden und Nachbarn verabschiedet, die ich schon mein ganzes Leben lang kannte, haben zusammengepackt und sind nun dabei, an einen Ort zu ziehen, an dem wir keine einzige Menschenseele kennen: Teton County, Wyoming; laut Google der Verwaltungsbezirk mit der Nummer 22 und mit einer Einwohnerzahl von etwas mehr als 20000, nicht mehr als fünf Leute pro Quadratmeile.
    Wir ziehen zu den Hinterwäldlern nach ganz weit draußen. Und das alles meinetwegen.
    So viel Schnee habe ich in meinem ganzen Leben noch nicht gesehen. Mein neuer Toyota Prius (ein Geschenk meines lieben, aufmerksamen Vaters) müht sich auf der verschneiten Bergstraße ganz schön ab. Aber jetzt gibt es kein Zurück mehr. Der Typ an der Tankstelle vorhin wollte uns beruhigen und meinte, der Weg über die Berge sei vollkommen sicher, solange kein Unwetter aufziehe. Mir bleibt nichts anderes übrig, als mich ans Lenkrad zu klammern und zu ignorieren, dass es nur ein paar Schritte vom Straßenrand entfernt in die Tiefe geht.
    Ich erblicke das Schild Willkommen in Wyoming .
    «He», sage ich zu Jeffrey. «Jetzt haben wir es geschafft.»
    Er antwortet nicht. Er hängt auf dem Beifahrersitz, und aus seinem iPod hämmert wütende Musik. Je weiter wir uns von Kalifornien und seinen Sportkameraden und Freunden entfernen, desto mehr schmollt er. Nach zwei Tagen unterwegs wird es allmählich langweilig. Ich packe das Kabel und reiße ihm die Ohrstöpsel raus.
    «Was?», fragt er und
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