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Und stehe auf von den Toten - Roman

Titel: Und stehe auf von den Toten - Roman
Autoren: Heyne
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wartete. Dieser erstarrte bei ihrem Anblick. »Teufel eins, Giuseppe, du bist dein Salär wert«, rief er aus.
    »Nicht in diesem Fall, hier tat ich nichts dazu!«, wehrte der Modist galant ab. Sie einigten sich dennoch auf eine stattliche Summe Geldes. Cäcilias Herz klopfte vor Freude. Sie konnte es kaum erwarten, sich als Prinzessin verkleidet der Welt zu präsentieren.

2.
    M it dem Rücken stand das Teatro Tordinone längs zum Tiber. Treppen führten zum Wasser herunter, so dass man das Theater auch flusswärts verlassen oder betreten konnte. Für alle, die nur heimlich hierherkommen durften, war der Eingang vom Fluss von unschätzbarem Wert. Die Vorderseite empfing hingegen die vielen teuer verkleideten Menschen mit einem prachtvollen Portal. Kühn krönte den offiziellen Eingang ein geschwungener Bogen, der auf majestätischen Säulen ruhte. Der Weg in die Hölle ist breit und bequem, lästerten deshalb die sittenstrengen Priester in Rom. Sie befanden sich gottlob in deprimierender Minderzahl.
    Falsche Cäsaren und unechte Katharina de Medicis, nachgeahmte Achills und die mitleiderregenden Versuche, faltige Matronen in schöne Helenen zu verwandeln, drängten gemeinsam mit Cäcilia zwischen den korinthischen Säulen in das Foyer. Aber was spielte das schon für eine Rolle, denn an jeder Ecke posierten knackige Parise, die sich nur allzu gern von ältlichen Helenen kaufen ließen. Alles war möglich, alt konnte jung werden und jung sich in alt verwandeln, reich in arm, nur nicht arm in reich. Der ganze Karneval war in Wahrheit ein gut verkleideter Markt der Sehnsucht, der jedem reichlich Freude bescherte, der sie auch zu bezahlen vermochte. Aus der Masse der im Foyer tanzenden Menschen stieß bisweilen scharf wie ein Dolch ein ordinäres Lachen hervor, wie man es für gewöhnlich nur von den billigen Kaschemmen oder von den Märkten her kannte. Doch das alles überspielten die triumphierenden Melodien Scarlattis und Corellis.

    Cäcilia hielt den Atem an, als fürchtete sie, sich an ihrem eigenen Staunen zu verschlucken. Ihr Begleiter gönnte ihr nicht den Augenblick, sich zu sammeln, sondern riss sie mit sich in die brodelnde Lava der Tanzenden. Und in der Tat ging es hier so wild zu wie auf einem Vulkan. Erst eine Sarabande, dann eine Giga oder Gigue, wie die Franzosen sagten. Und anschließend stimmte das Orchester sogar eine Saltarella an, einen volkstümlichen Springtanz. Cäcilia erschrak, das war mehr als gewagt, das war eindeutig frivol. Doch zugleich verspürte sie eine prickelnde Lust, den Reiz des Verbotenen, den sie niemals zuvor so unmittelbar, so stark empfunden hatte.
    Mochte sich das Volk an lüsternen Sprüngen erfreuen, für gebildete Menschen verbot sich ein so sündiger Tanz. Nur vom Teufel Besessene verrenkten in so grotesker Manier die Glieder. Tanz, so hatte sie es gelernt, bedeutete Ebenmaß, Sittlichkeit, erhabene Figuren und nicht wildes, die Wollust anheizendes Hüpfen. Schließlich ging es um Ästhetik und Moral und nicht um die Gier der Körper. Der Aufschrei der Empörung, den sie deshalb erwartete, blieb zu ihrer heimlichen Freude aus. Die höheren Stände genossen es zum Karneval, auch von den sonst verpönten Genüssen des einfachen Volkes zu kosten. Mochten sie auch noch so grob sein.
    Ihr Begleiter hüpfte bereits verführerisch zu den Takten der Musik. Nun ärgerte es sie ein wenig, dass sie nicht im Pulcinellenkostüm geblieben war. In der Freiheit der sackartigen Verkleidung hätte sie allen hier gezeigt, was wirkliche Sprünge waren. Ihr königliches Kleid hingegen eignete sich zwar für den höfischen Tanz, nicht aber für das Hopsen des Teufels. Doch wenn sich ehrbare Menschen diesem Laster hingaben, weshalb sollte sie sich dann zurückhalten
? Beherzt raffte sie das Kleid und tat es den anderen gleich. Vergebung würde die Beichte schon gewähren. Und sechzig Rosenkränze war der Spaß doch allemal wert.
    Bald schon spürte sie die befreiende Wirkung der Saltarella. Sie glaubte nicht mehr zu tanzen, sondern zu fliegen. Ihr Herz raste. So nahe war sie dem Paradies nie zuvor gekommen. Das Glücksgefühl vereinte sie mit der ganzen Welt, als existierten plötzlich weder Raum noch Zeit. Es gab für sie nur noch ein überwältigendes Jetzt.
    Die Zeit verflog, ohne dass sie noch irgendein Gefühl für die fliehenden Stunden besaß. Der Cavaliere nahm ihre Hand und zog Cäcilia mit sich, weg von der Tanzfläche, schob unzählige Menschen beiseite, um den Weg zur Treppe in den
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