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Und fuehre mich nicht in Versuchung

Und fuehre mich nicht in Versuchung

Titel: Und fuehre mich nicht in Versuchung
Autoren: Vera Bleibtreu
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hilft auch die Alarmanlage nicht viel», meinte Arne. Ihr Spezialschlüssel öffnete das Tor. Der Garten war puristisch gestaltet, ein sorgfältig getrimmter Rasen, sonst nichts, nicht einmal die sonst obligatorischen Rosen. Das Haus selbst war ebenfalls schnörkellos, ein transparenter, einstöckiger, großzügiger Flachdachbau mit viel Glas. Tanja bewunderte die klare Architektur, so würde sie selbst auch gerne wohnen. Selbstverständlich hatte Vogel in seinem Haus auf Vorhänge verzichtet. Wozu auch, kein Nachbar konnte von seinem Anwesen aus das Haus erkennen, geschweige denn hineinschauen. Tanja trat an das Terrassenfenster und spähte ins Haus. Was sie sah, genügte. «Da ist uns jemand zuvorgekommen, alarmiere schon mal die Spurensicherung.» Tanja streifte sich Plastikhandschuhe über und öffnete die Haustür. Vorsichtig gingen Arne Dietrich und sie durch die Räume. Doch der, der hier alles durchsucht hatte, war schon lange weg. Er oder sie hatte ganze Arbeit geleistet. Tanja stellte sich vor, daß in den Räumen sonst eine peinliche Ordnung  herrschte. Obgleich die Luft etwas stickig war – die Fenster waren dicht geschlossen –, atmete das Haus eine tiefe Sau-berkeit. Es brauchte Ordnung und Klarheit, um wirken zu können, und sein Besitzer hatte dafür keinen Aufwand gescheut. Eingebaute weiße Wandschränke und Sideboards in Anthrazit boten Stauraum und einen reizvollen Kontrast. Tanja erkannte, daß ihre schlichte Form eine Wohltat für das Auge darstellte und Ruhe vermittelte.
    Aber jetzt war die Ordnung zerstört, die schmalen, niedrigen Sideboards waren aufgerissen und durchwühlt worden, Servietten und Besteck lagen auf dem Boden. Wer auch immer hier am Werk gewesen war, hatte etwas Bestimmtes gesucht, denn das Silberbesteck war wertvoll, das sah man auf den ersten Blick. Mit einer gewissen Trauer blickte Tanja Schmidt auf die Überreste eines schö nen Rosenthal-Services, das vor den offenen Türen des Wohnzimmerschranks zerbrochen auf dem Boden lag. Im Schlafzimmer bot sich das gleiche Bild: Der graue Einbau-schrank, der eine ganze Wand des Zimmers einnahm, war geöffnet, alle Kleidungsstücke waren herausgezerrt worden. Sogar die Matratze des schlichten Betts hatte jemand aufgeschlitzt, angehoben und zur Seite geschoben. Das Arbeitszimmer sah noch schlimmer aus. Jede Wand dieses Zimmers war mit hohen Bücherregalen gefüllt, aber die Bücher, die sonst gewiß akkurat an ihrem Platz standen, waren aus den Regalen gerissen worden. Tanja ersparte es sich, über die Bücher zu steigen, die den Boden wie ein dicker Teppich bedeckten. Seinen Schreibtisch hatte sich Vogel aus einer starken Panzerglasscheibe anfertigen lassen, die auf rohen Eisenstangen ruhte. Der Rost der Stangen und das schwere, aber transparente Glas bildeten einen reizvollen Gegensatz. Auf dem Schreibtisch hatte jemand  offensichtlich den kompletten Inhalt der Schubladencon-tainer ausgeleert. In der geräumigen Küche aus Chrom, die professionell eingerichtet war und ein Vermögen gekostet haben mußte, waren ebenfalls alle Schubladen ausgeleert worden. Arne Dietrich und Tanja Schmidt sahen sich an.
    Sie hatten ähnliche Gedanken. Wer auch immer hier etwas gesucht hatte, er oder sie hatte es nicht gefunden. Das Chaos wirkte fast verzweifelt, die Zerstörung nicht plan-mäßig, sondern wie das Ergebnis einer wilden, letztlich hoffnungslosen Suche. Und die Türen waren nicht aufgebrochen worden, auch die Fenster waren intakt. Die Alarmanlage war nicht losgegangen, offensichtlich hatte jemand einen Schlüssel zu dem Anwesen gehabt. Aber wer? Eine Putzfrau, ein Hausverwalter, ein Nachbar? Christian Vogel leugnete, einen Schlüssel zu besitzen. Eine Person allerdings verfügte mit Sicherheit über die Schlüssel: der Mörder oder die Mörderin.

    * * *
    Es regnete in Strömen, Susanne konnte von ihrem Zimmer aus den Dom nur noch als grauen Schemen erahnen. Sie nagte an einer Möhre, ihr spontaner Kurztrip nach Paris vor einer Woche hatte deutliche Spuren auf ihren Hüften und an ihrem Bauch hinterlassen. «Es war eine pfundige Reise», dachte sie, während sie lustlos an der Rübe knab-berte. «Und Möhren sollen ja auch gut für die Augen sein.» Obwohl ihre Augen, sehr zum Leidwesen ihrer Grundschulkinder, die sie einmal in der Woche in Religion unterrichtete, ausgezeichnet funktionierten. In Paris hatte sie viel zu viel geschlemmt, durchaus auch aus Frust, wenn sie ehrlich zu sich war. Denn von ihrem ersten kleinen  Urlaub mit
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