Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Und eines Tages kommt das Glück

Und eines Tages kommt das Glück

Titel: Und eines Tages kommt das Glück
Autoren: Sheila O'Flanagan
Vom Netzwerk:
ließen. Alle hatten nur gelacht und ihr versichert, dass sie emotional ganz in Ordnung sei, außer wenn sie ein paar Bierchen zu viel intus habe.
    Doch heute Abend hatte Romy nicht zu viel Bier getrunken (und Wein auch nicht), aber sie wusste, dass sie sich geistig in einem Ausnahmezustand befand. Sie hatte nämlich keine Ahnung, was sie fühlen sollte angesichts der wenig verlockenden Aussicht, ihren besten Freund zu verlassen, nach Hause zurückzukehren und ihre Familie wiederzusehen. Ebenso wenig konnte sie sich vorstellen, wie es ihrer Familie dabei erging, außer dass sie alle vielleicht erleichtert waren, sie überredet zu haben, wieder zurückzukommen und damit das Problem zu lösen, wer sich um Veronica kümmern würde.
    Zudem erschien es ihr absolut unfair, dass sie sich allein schon beim Klang des Wortes »Familie« von Schuldgefühlen überwältigt und gezwungen sehen sollte (was sie leider auch war), alles hinter sich zu lassen, was ihr hier lieb und teuer war, nur um einem lächerlichen Pflichtgefühl einem Menschen gegenüber nachzukommen, der das wahrscheinlich gar nicht wollte.
    Jedes Mal, wenn Romy daran dachte, schnaubte sie innerlich vor Wut. Pflichtgefühl! Ihnen gegenüber! Veronica gegenüber! Das war absurd.
    Und trotzdem konnte sie sich dem nicht entziehen. Sogar Keith war in dieser Hinsicht sehr deutlich geworden: Wenn es um die
Familie ging, musste man helfen. Als Romy ihm daraufhin erklärt hatte, dass sie mit keinem aus ihrer Familie besonders gut auskäme, hatte er sie nur verständnislos angesehen (er hatte schließlich eine ausgezeichnete Beziehung zu seinen Eltern). Es würde an ihr liegen, sich mit ihnen zu verstehen, und alles sei nur eine Einstellungssache, hatte er gemeint.
    Romys Ansicht nach war der beste Weg, mit ihrer Familie auszukommen, der, ihr aus dem Weg zu gehen. Die letzten vier Jahre hatte das bestens funktioniert. Aber vielleicht dachte sie anders, wenn sie erst mal wieder zu Hause war. Nur leider fehlte ihr der Glaube.
     
    Eine Rückkehr nach Irland war das Letzte gewesen, was ihr in den Sinn gekommen wäre, als vor ein paar Tagen ihr Handy geklingelt hatte. Sie hatte im Büro am Computer gesessen und Details zu den Knochenfunden an der Ausgrabungsstelle eingegeben, als das Handy auf ihrem Schreibtisch vibrierte. Dass Romy sich ausgerechnet auf forensische Archäologie spezialisiert hatte, hatte ihre Mutter nicht sehr begeistert. Im Gegenteil, die Vorstellung, dass ihre Tochter alte Knochen ausgrub und untersuchte, fand Veronica mehr als abstoßend.
    Romy hatte den Anruf auf ihre Mailbox weiterleiten lassen, da sie zu sehr in ihre Arbeit vertieft war, um mit jemandem sprechen zu wollen. Sie beschäftigte sich nämlich gerade mit dem Skelett der jungen Frau, das sie auf dem Grabungsgelände entdeckt hatte. Sie hatte sich die Knochen sofort näher angesehen. Vorsichtig hatte sie die Erde mit einem Pinsel entfernt und bemerkt, dass sie die Überreste einer jungen Frau vor sich hatte, die zum Zeitpunkt ihres Todes noch dazu schwanger gewesen war, da sich auf ihr ein skelettierter Fötus befand.
    Wann immer Romy menschliche Knochen ausgrub, stellte sie sich die lebende Person dazu vor. Die Überreste einer jungen Frau in einer Sträflingssiedlung zu entdecken hatte sie sehr berührt. In
den meisten Fällen hatte Romy ihre Emotionen unter Kontrolle, doch an dem Tag hatte sie um die unbekannte Frau und um das ungeborene Kind geweint und sich gesagt, dass sie sich glücklich schätzen konnte, ihr Leben so führen zu können, wie sie wollte, auch wenn sie sich manchmal fragte, ob alle Entscheidungen richtig gewesen waren, die sie bis dato getroffen hatte.
    Romy war mit ihren Gedanken noch immer bei der toten Frau und ihrem ungeborenen Baby, als sie an diesem Abend nach Hause kam. Keith war beim Rugbytraining, und so hatte sie sich ein Bier aufgemacht und sich in ihren verwilderten Garten hinter dem Haus gesetzt, wo Wildrosenbüsche neben hohen grünen Bambusgräsern um die Lufthoheit kämpften. Und dann hatte Romy angefangen (wie so oft, wenn sie allein war), über die Menschen nachzudenken, die vor ihnen in diesem Haus gewohnt und  – noch länger zuvor, bevor das Haus überhaupt gebaut worden war  – auf diesem Land gelebt hatten, und sie fragte sich, woran es lag, dass sie sich öfter mit der Vergangenheit als mit der Gegenwart beschäftigte.
    Und in dem Moment fiel ihr wieder der Anruf ein, den sie nicht entgegengenommen hatte.
    Sie stellte die Flasche Bier auf der
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher