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Und eines Tages kommt das Glück

Und eines Tages kommt das Glück

Titel: Und eines Tages kommt das Glück
Autoren: Sheila O'Flanagan
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treffen. Romy hatte ursprünglich mitkommen wollen und war sehr enttäuscht, auf den Kurzurlaub verzichten zu müssen. Keith schilderte ihr detailliert, was die Freunde vorhatten, und sie wusste, dass er ihr damit lediglich das Gefühl geben wollte dazuzugehören. Deshalb versicherte sie ihm mit größter Ernsthaftigkeit, dass sie sich sehr für ihn freue, konnte jedoch nicht umhin, sich zu fragen, ob es Keith (oder einem anderen ihrer Freunde) vor der Kulisse des herrlich blauen Ozeans und inmitten des bunten Strandlebens überhaupt auffallen würde, dass sie nicht dabei war.
    Appetitlos stocherte Romy in ihrem gebratenen Barramundifilet, eine Spezialität des Restaurants und ihr erklärter Lieblingsfisch, seit sie in Australien war. Seufzend legte sie die Gabel auf den Tellerrand und starrte aus dem Fenster.
    »Schmeckt er dir nicht?« Verwundert schaute Keith sie an, und rasch griff sie wieder nach dem Besteck.
    »Er schmeckt fantastisch«, erwiderte sie und steckte die Gabel in das weiße Fischfleisch. »Ich bin nur … ach … mir gehen so viele Gedanken durch den Kopf.«
    Keith nickte verständnisvoll. »Ich weiß, es ist schwierig für
dich«, sagte er. »Du wirst uns allen fehlen, wenn du weg bist. Du wirst mir fehlen, und das weißt du. Aber vielleicht ist es ja nicht für lange … und was bleibt dir schon anderes übrig?«
    »Nichts«, entgegnete Romy, obwohl sie anderer Ansicht war. Sie hatte durchaus eine Wahl. Sie hätte schließlich ebenso gut nein sagen und ihrer Familie erklären können, dass sie momentan unmöglich nach Hause kommen könne, weil man ihr eine Vertragsverlängerung angeboten habe (was sogar stimmte), und dass sie diese unbedingt akzeptieren müsse, wenn sie es in ihrem Beruf zu etwas bringen wolle (was nur bedingt stimmte und leicht als Ausrede zu durchschauen gewesen wäre). Oder sie hätte sagen können, dass sie einen Menschen kennengelernt habe, der ihr sehr wichtig sei und den sie nicht verlassen könne (was ebenfalls nicht stimmte, auch wenn sie heute Abend ungewohnte Gefühle für Keith empfand und den merkwürdigen Wunsch verspürte, sich ihm an den Hals zu werfen und ihn anzuflehen, dass er sie doch bitten möge zu bleiben). Romy versuchte, sich einzureden, dass diese Anwandlung von ihrem Kummer herrührte, Australien verlassen zu müssen  – und nicht etwa Keith. Trotzdem schwirrten ihr diese Gedanken durch den Kopf. Sie hätte ihrer Familie auch die grausame Wahrheit sagen und erklären können, dass es ihr vollkommen egal sei, welcher Notfall vorliege, und dass nichts auf der Welt sie jemals wieder nach Hause zurückbringen würde.
    Aber wenn sie das sagte, würden alle sie schlichtweg für egoistisch und selbstsüchtig halten, und sie war sicher, dass die anderen ohnehin genau das von ihr dachten  – von ihr, der jungen Frau, die sich in den vergangenen vier Jahren in der Welt »herumgetrieben« hatte (sie war überzeugt, dass sie genau diesen Ausdruck benutzten, wenn sie über sie sprachen) und bei den wenigen Gelegenheiten, als sie nach Hause gekommen war, erst in allerletzter Minute Bescheid gegeben und auch dann die Hälfte der Zeit mit ihrem Vater statt mit den anderen verbracht hatte. Nur Veronica vielleicht nicht. Ihre Mutter würde nur allzu gut verstehen,
warum sie nicht nach Hause kommen wollte, da Romy ihre diesbezüglichen Gefühle in der Vergangenheit mehr als klargemacht hatte. Doch jetzt hatten sich die Umstände verändert, und Romy hatte mit Überraschung zur Kenntnis genommen, dass Veronica in ihrer Rückkehr die beste Lösung sah. Trotzdem, mit ihrer Mutter wieder unter einem Dach zu leben, das würde, gelinde gesagt, eine Herausforderung sein. Romy trank einen Schluck von dem Sauvignon Blanc (ungefähr dreimal so teuer wie bei Luigi, sodass ihr gar nichts anderes übrig blieb, als den Wein zu genießen, statt ihn hinunterzukippen) und stocherte wieder in ihrem Essen herum.
    Bitte mich zu bleiben, dachte sie, während sie lustlos von dem Fisch aß (wirklich köstlich, wie konnte sie nur keinen Hunger haben?) und Keith unter ihren langen, dunklen Wimpern hervor einen Blick zuwarf. Bitte mich! Sag mir, dass du mich liebst und nicht willst, dass ich gehe. Ich rufe sie auf der Stelle an, erkläre ihnen, dass ich meine Meinung geändert habe, und trage die Konsequenzen.
    Romy schluckte den Fisch hinunter, dankbar, dass Keith ihre Gedanken nicht lesen konnte. Wie lächerlich, sich zu wünschen, dass er ihr seine Liebe gestand. Er liebte sie nicht,
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