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und du bist weg

und du bist weg

Titel: und du bist weg
Autoren: Theo Pointner
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die Nerven. Ständig lauschte sie mit einem Ohr auf ungewöhnliche Geräusche aus dem Kinderzimmer, und hatte sie sich zu einem Schläfchen hingelegt, riss Arne sie mit Bestimmtheit aus den Federn. Und die ganzen Bücher, die sie und Zander während der Schwangerschaft gelesen hatten, hatten nicht das Geringste mit der Realität zu tun. Zum Glück schien Zander als Vater die Idealbesetzung zu sein. Während sie nervös durch die Wohnung wuselte und das Kind dabei immer rappeliger machte, brauchte Zander lediglich einmal in die Wiege zu lachen und ihr Sprössling war die Ruhe selbst.
    Als der Arzt ihr dann sagte, dass sie viel zu wenig Milch produzierte, um den Nachwuchs satt zu bekommen, stand ihr Entschluss, so schnell wie möglich wieder arbeiten zu gehen, fest. Sie verdiente zwar mehr als Zander, aber der Unterschied war weit geringer, als dass das Gehalt ein ausschlaggebendes Argument gewesen wäre.
    Der Fiesta stand da, wo er immer stand. Obwohl es erst kurz nach sieben war, wehte schon eine sehr warme Brise vom Ruhrtal hoch. Trotzig schob Thalbach die Ärmel ihres Pullovers über die Ellbogen und enterte ihren Kleinwagen.
    Auf der Fahrt über die Königsallee Richtung Innenstadt fühlte sie sich immer besser; als sie schließlich die Jahrhundertbaustelle an der Herner Straße hinter sich gelassen hatte und das Präsidium ansteuerte, lehnte sie fast entspannt in den Polstern des Sitzes. Und als sie dann auch noch auf Anhieb einen Parkplatz fand, war der Tag endgültig ihr Tag.
    Schwungvoll hämmerte sie die Fahrertür ins Schloss, hängte ihre Tasche über die Schulter und betrat die ewig finsteren Gewölbe. Natürlich ließ sie den Aufzug links liegen und hastete die Treppe hoch.
    Punkt halb acht stürmte sie elanvoll in das Büro, das sie sich seit dem Beginn ihrer Arbeit in Bochum mit Berthold Hofmann, einem vier Jahre älteren Kollegen, teilte. Hofmann entsprach so sehr dem Sinnbild eines typisch deutschen Beamten, dass er schon fast wie eine Karikatur wirkte. Seine penible Ordnung auf dem Schreibtisch, auf dem jeder Stift genau auf einer zugewiesenen Position zu liegen hatte, war nur eine Ausprägung dieser Erscheinung. Als Team passten sie beide allerdings perfekt zueinander. Hofmann arbeitete fleißig und genau, aber meist einfallslos, während sich Katharina sehr häufig auf ihren Riecher verlassen konnte.
    Das Büro war leer, in der Luft roch sie deutlich Schwaden dieses ekelhaft süßlichen Tabaks, mit dem Hofmann seine Pfeife vergewaltigte. Natürlich traute er sich nicht, seinen Knoblauchkocher anzuwerfen, wenn Katharina sich in dem gleichen Raum wie er befand, aber in den zurückliegenden drei Monaten schien ihr Kollege seine Freiheit ausgiebig genossen zu haben.
    Als Erstes riss die Beamtin die Fenster auf und erhöhte damit den Sauerstoffgehalt in dem Zimmer um mindestens das Achtfache. Dann warf sie einen prüfenden Blick in die Thermoskanne. Leer.
    Stirnrunzelnd verstaute sie ihre Tasche in ihrem Schreibtisch und trat wieder auf den Gang. Direkt gegenüber residierten Gisbert Heinzel und Karl Heinz Gassel, die Kollegen, mit denen sie und Hofmann am meisten zu tun hatten. Die vier bildeten eine der fünf Mordkommissionen, die im Wochentakt abwechselnd für die anfallenden Kapitalverbrechen zuständig waren. Bestimmt hatte sich Hofmann bei den beiden älteren verkrochen.
    Hinter der Tür hörte Katharina undeutliches Gemurmel. Ohne anzuklopfen, drückte sie die Klinke herunter.
    »Ach, guck mal, wer da kommt«, freute sich Gassel. Mit einer für sein Gewicht ungewöhnlichen Schnelligkeit sprang er von seinem Stuhl hoch und streckte der Blonden seine Rechte entgegen. Gassel war bereits jenseits der fünfzig, wie immer mit einem dunkelblauen Anzug aus dem Schlussverkauf von C&A, einem blütenweißen Hemd und einer dezenten Krawatte bekleidet. Mit seinen übermächtigen Rettungsringen um den Hüften, die sein Gewicht bestimmt um mehr als einen Zentner über der Idealnorm liegen ließen, wirkte er wie eine Mischung aus Heinz Erhardt und Helmut Kohl. Die monströse Hornbrille auf seiner Nase rückte ihn allerdings näher in die Ecke des toten denn des lebenden Komikers.
    Heinzel, den von den Fünfzigern noch sechs Jahre trennten, zwirbelte die Enden seines imposanten Schnäuzers und wuchtete sich ebenfalls aus seinem Stuhl. »Morgen, Frau Kollegin. Schön dich zu sehen.«
    Katharina zwängte sich auf den Besucherstuhl, nachdem sie den beiden die Hand gegeben hatte.
    »Kinder, ist das schön, wieder
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