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Und die Goetter schweigen

Und die Goetter schweigen

Titel: Und die Goetter schweigen
Autoren: Anna Janson
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festgestellt, dass die Bewohner von Videvägen häufiger zum Verhör bei der Polizei vorgeladen wurden als andere Leute. Allerdings handelte es sich selten um schwerere Vergehen als Schwarzbrennen, illegalen Schnapsverkauf, kleinere Einbrüche oder Hehlerei. Auf dem großen Parkplatz standen nur wenige Autos. Maria bemerkte, wie sich in der dritten Etage des Hauses die Gardine bewegte. Sie musste lange klingeln, ehe trippelnde Schritte ihr zu verstehen gaben, dass jemand zu Hause war. Gründlich wurde sie durch den Türspion beobachtet, ehe sie für gut befunden und hereingelassen wurde. Die Frau, die die Tür öffnete, sah aus wie eine Sahnetorte mit dem roten Mund als Cocktailbeere zur Krönung obenauf, ging es Maria durch den Kopf. Die gelben Locken hingen wie Karamelsoße über den weiten Puffärmeln. Der Rest war Marzipan. Sie sah überhaupt nicht aus wie jemand, der die Polizei am Telefon anschreit, wenn es denn für solche Leute einen gemeinsamen Nenner gab. Ein mit Schleifchen geschmückter Pudel tänzelte vor ihnen her ins Wohnzimmer, das voller Seidenblumen, Duftbällchen, Trockensträuße und geblümter Kissen war. Überall hingen Bilder mit »weinenden Kindern«. Maria hätte nie gedacht, dass es so viele unterschiedliche Bilder mit weinenden Kindern geben könnte. Diese Sammlung hätte jeden trübsinnig werden lassen. Wenn man nun auch noch eine Trauernachricht zu überbringen hatte, war es kaum auszuhalten. »Dieser Polizist hat gesagt, irgendwas ist mit Dick passiert.« Der Alkoholgeruch drang trotz aller künstlichen Düfte in Marias Nase. Sie setzte sich unaufgefordert auf das Sofa mit dem auffälligen Blumenmuster neben Stina Ohlsson und erklärte in so schonungsvollen Worten wie möglich, was geschehen war. Zunächst saß Stina schweigend und bleich da, wie ein Kind, das sich gestoßen hat und nach Luft ringt. Maria hielt den Atem an und wartete. Ein gellender Schrei hallte durch die Wohnung, hinterher flogen ein Porzellanengel und ein Aschenbecher aus Glas. Maria spürte, wie sie erstarrte. Gewöhnt man sich jemals daran, Trauernachrichten zu überbringen? Der Schrei der Frau verstummte, aber ihr Blick war gefährlich. Ununterbrochen kniff sie sich in den kräftigen Unterarm und wiegte den Oberkörper vor und zurück. »Sie lügen! Sagen Sie, dass Sie lügen«, flüsterte sie drohend. »Dick ist nicht tot! Er ist nur weg zu einer anderen Frau. Er hat manchmal andere Frauen, aber die bedeuten ihm nichts. Dick weiß, wo sein Zuhause ist. Er kommt immer wieder zurück zu seiner kleinen Stina, immer!«
    »Hatte Dick Feinde? Jemanden, der ihm möglicherweise Böses antun wollte?« Maria versuchte es mit ruhiger und fester Stimme, obwohl sie ein Zittern immer noch nicht unterdrücken konnte. »Sicher gibt es den einen oder anderen Ehemann, der ihm mit Freuden den Pimmel abschneiden würde.« Stina stieß ein freudloses gellendes Lachen aus. Maria spürte, wie sich ihr Nacken verkrampfte. »Er hat mir immer von seinen Eroberungen erzählt, wenn er nach Hause kam. Ganz genau hat er beschrieben, wie er die dummen Kühe verführt hat. Es hat ihn scharf gemacht, wenn ich davon wusste.« Das Lachen danach ging in ein hemmungsloses Weinen über. Maria wartete ab, bis die Wogen sich ein wenig geglättet hatten, und kam dann auf ein unverfänglicheres Thema zu sprechen. »Soviel wir wissen, arbeitete Dick in der Genossenschaftsschlachterei. Wissen Sie, wo er gearbeitet hat, ehe er dort anfing?« Stina schniefte heftig und hielt sich die Hand vor die Augen.
    »Eine Zeit lang war er Busfahrer, Hollandreisen zur Tulpenblüte und so was, davor hat er in der Anstalt in Uppsala gearbeitet, glaube ich. Also in der Psychiatrie, irgendwas Privates.«
    »Und außerdem hat er für die Gewerkschaft gearbeitet?«
    »Ja, hat er.« Stina atmete tief durch und setzte sich aufrecht hin. Ihre kräftigen Unterarme lagen wie dicke Weißbrote auf dem Tisch. »Wollte Dick gestern Abend hierher kommen?«
    »Ja, ich hatte Beefsteak Tatar gemacht. Das mag er so gern. Ich saß am Telefon und wartete, aber er kam nicht, der Scheißkerl! Er hat nicht mal angerufen.«
    »Was haben Sie getan, als er nicht auftauchte?«
    »Ich hab meine Schwester Didi angerufen.«
    »Um welche Uhrzeit war das?«
    »Vielleicht um eins. Wir haben uns das Essen schmecken lassen, eine Flasche Rotwein dazu getrunken. Dann haben wir die angerufen, bei denen er manchmal übernachtet.«
    »Frauen?«
    »Ja, was glauben Sie denn? Er war doch nicht schwul! Das war
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