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Und die Goetter schweigen

Und die Goetter schweigen

Titel: Und die Goetter schweigen
Autoren: Anna Janson
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geschehen ist!« Maria berichtete von ihrem Gespräch mit dem alten Mann und erwähnte die Nachbarin, deren Katze verschwunden war. »Das ist der nächste Nachbar im Umkreis von mehreren Kilometern. Ich kann mit ihr sprechen und ebenso mit den Busfahrern, die in der letzten Woche diese Linie gefahren sind.« Hartman nickte. Ein Auto näherte sich der Absperrung und bremste. Kommissar Åke Ragnarsson stieg aus, die obligatorische Kippe im Mundwinkel, die unter der dicken Oberlippe auf und ab wippte. Der allzu kurze und weite Mantel flatterte im Wind. Mit mürrischem Grunzen begrüßte er seine Untergebenen. Maria blickte ihren Chef an, und die Züge um ihren Mund wurden härter. Während ihrer kurzen Zeit in Kronköping hatte sie die Erfahrung gemacht, dass die Arbeit unter der Leitung von Kriminalinspektor Hartman am besten vorankam und umso reibungsloser funktionierte, je weniger Kommissar Ragnarsson sich einmischte. Wern und die Kollegen Arvidsson und Ek bezeichneten die beiden klammheimlich als Ruhe und Sturm. Sie Sturm und Flaute zu nennen wäre sehr ungerecht gegenüber Hartman gewesen. Sicherlich war er ruhig, manchmal vielleicht zu gelassen, aber das war eine trügerische Ruhe, hinter der sich eine ungeahnte Effektivität verbarg. Kommissar Ragnarsson-Sturm verzog niemals den Mund, niemals! Niemand hatte ihn je lachen gehört. Im Augenblick lag die Wette bei nicht weniger als 560 Kronen für den, der Ragnarsson zum Lachen brachte. Jede Woche war ein Zehner als Einsatz fällig, und die Versuche steigerten sich im gleichen Maß, wie der Jackpot wuchs. Außerdem hielt Ragnarsson nichts von Polizistinnen. Wenn er etwas zu kritisieren oder zu ironisieren fand, so tat er es bei passender Gelegenheit, als Ragnarsson-Sturms kräftig gebaute Frau zu Besuch war, hatte Erika Lund Maria zugeflüstert: »Es sind die kleinen Hunde, die am lautesten bellen, die kleinen Hunde an der Leine.«
    »Wern, du kannst auf die Wache fahren und ein paar Thermoskannen Kaffee machen. Frag mal, wie viele von den Jungs Pizza haben wollen. Die kannst du auf dem Rückweg abholen, wenn du sie jetzt bestellst.« Maria kniff den Mund zusammen. Diskussion war jetzt fehl am Platze.
    Arvidsson saß im Pausenraum. Seine langen Beine reichten bis auf die andere Seite des Tisches. Vor sich hatte er auf einem der viel zu kleinen Teller der Wache eine enorme Pizza. Die rote Tolle hing ihm über die Augen, während er vornübergebeugt mit beiden Ellenbogen auf dem Tisch das Essen in sich hineinschaufelte. Maria hatte Mühe, Augenkontakt zu bekommen. Arvidsson konzentrierte sich völlig auf seine Mahlzeit. »Der Neid ist das beste Gewürz, sagt man. Das da sieht gut aus. Ich habe heute nur verschimmelten Apfelkuchen gegessen.« Arvidsson errötete. Das war einfach lästig. Er ärgerte sich sehr über sich selbst, aber auch über Maria, weil er rot wurde, als sie ihn ansprach. Sie war so herausfordernd hübsch. Damit konnte er schlecht umgehen. Wenn er nichtso fürchterlich schüchtern gewesen wäre, hätte er ihr etwas von der Pizza abgeben können. Daraus wurde nun nichts. Arvidsson war in Kronköpings Genossenschafts- schlachterei gewesen, wo Dick Wallström gearbeitet hatte. Die Kollegen hatten Dick eigentlich nicht vermisst. Er arbeitete für die Gewerkschaft, und niemand hatte mehr Zeit, auf ihn und seine Arbeitszeiten zu achten. Als einzige Angehörige hatte Arvidsson mit einiger Mühe seine Freundin, Stina Ohlsson, ausfindig gemacht. Am Telefon hatte sie Arvidsson angeschrien und sich geweigert, mit der Polizei zu sprechen. Jedenfalls wollte sie keinen Polizisten sehen, allenfalls konnte sie sich vorstellen, mit einer Polizistin zu reden, vielleicht. Entscheiden würde sie das, wenn sie die Frau gesehen hatte. Arvidsson war sich sicher, dass die Frau angetrunken gewesen war. Maria konnte sich ein Lächeln nicht verkneifen. Es lief wohl darauf hinaus, dass sie die Pizza und das Verhör mit Edvins Nachbarin gegen Stina Ohlsson tauschte, die ungern mit männlichen Kollegen sprach. Arvidsson schien erleichtert, weil er sich nicht mehr um die Frau kümmern musste. Ein Lächeln zeigte sich auf seinem von Aknenarben übersäten Gesicht und schimmerte in seinen grünen Augen unter dem üppigen Haarschopf. »Getauscht ist getauscht.«
    Dichter Schnee fiel, als Maria nach Videvägen einbog, dem verrufenen Wohngebiet am östlichen Stadtrand. Es ist nicht richtig, vorgefasste Ansichten zu haben, aber Maria hatte in der kurzen Zeit in Kronköping bereits
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