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Und der Wind erzaehlt von Zaertlichkeit

Und der Wind erzaehlt von Zaertlichkeit

Titel: Und der Wind erzaehlt von Zaertlichkeit
Autoren: Julie Garwood
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war der Himmel über den Zwillingsgipfeln vor ihm mit rot-orangenen Streifen durchzogen, doch auch dieses Licht würde bald verschwunden sein. Verzweiflung stieg in ihm auf. Er mußte vor Einbruch der Nacht die Burg der Kincaids erreichen, denn er wußte, daß er den Weg bei Dunkelheit niemals finden konnte. Wenn er in der Finsternis weiterlief, riskierte er, im Kreis zu laufen oder – noch schlimmer – versehentlich die falsche Richtung einzuschlagen.
    Er durfte nicht scheitern! Wieder begann er zu laufen. Mußte er nicht bald die Grenze zwischen dem Land der Kincaids und dem der MacAlisters erreichen? Er wußte es nicht. Was, wenn er sich geirrt hatte? Als er Rufe hörte, fuhr ihm der Schreck in die Glieder. Hatte der Feind ihn aufgespürt? Stolpernd und taumelnd rannte er weiter, bis er keinen einzigen Schritt mehr gehen konnte.
    Lieber Gott, er hatte versagt! Er hatte nicht einmal die erste Bedingung erfüllt! Kincaid bedeutete seine Zukunft, aber er war nicht einmal in der Lage, die Burg zu erreichen!
    »Kannst du sprechen, Bursche? Kannst du uns sagen, was geschehen ist? Du bist ganz voller Blut.«
    Die Soldaten, die ihn umzingelt hatten, trugen die Farben Kincaids. Als diese Tatsache in Connors Bewußtsein drang, gaben seine Knie nach, und er stürzte zu Boden. Er wollte nur einen kurzen Moment die Augen schließen, doch er wagte es nicht. Noch nicht. Er durfte nicht ausruhen, bevor er nicht mit Kincaid geredet hatte. Er mußte ihm berichten, was geschehen war. Er konnte ihm vertrauen … Er mußte …
    Connor schüttelte den Kopf, um seine Gedanken zu klären, dann holte er tief Luft, warf den Kopf zurück und rief: »Bringt mich zu meinem Bruder!«
    »Und wer ist dein Bruder, Junge?« fragte einer der Soldaten.
    »Auf Befehl meines Vaters ist von diesem Tag an Alec Kincaid mein Bruder. Er wird mich anerkennen!«
    Endlich konnte er die Augen schließen. Er hatte den ersten Befehl seines Vaters ausgeführt. Nun mußte er mit Kincaid reden. Er würde ihm sagen, wo die verwundeten Soldaten versteckt waren, ihn bitten, sie zu holen … und ihm dann alles andere berichten … ihm, seinem Bruder …
    Connors letzter Gedanke, bevor er bewußtlos wurde, gab ihm Frieden. Sein Vater würde gerächt werden.
    Und so fing es an.

1
England, 1108
    Es war keine Liebe auf den ersten Blick.
    Lady Brenna hatte keine Lust, brav guten Tag zu sagen. Sie hatte weit interessantere Dinge zu tun, und sie war entschlossen, sich nicht davon abhalten zu lassen. Ihre Amme, eine mißmutig wirkende, gottesfürchtige Frau mit schiefen vorstehenden Zähnen, sah das jedoch ganz anders. Mit der Entschlossenheit eines Wildschweins trieb sie Brenna im Stall in eine Ecke und stürzte sich dann auf sie. Da sie kleine Mädchen, die ihr entwischten, nicht leiden konnte, nutzte sie den Rückweg den Hügel hinauf und über den schlammigen Hof, um ihren Schützling, den sie am Arm mit sich zerrte, ausgiebig auszuschimpfen.
    »Jetzt hört auf, Euch zu sträuben, Brenna! Ich bin stärker als Ihr, und ich lasse Euch bestimmt nicht los! O nein, Ihr habt schon wieder Eure Schuhe verloren, nicht wahr? Und wagt es ja nicht, mich anzulügen. Ich seh doch Eure Strümpfe unterm Rocksaum hervorlugen! Und warum schleift ihr das Zaumzeug hinter Euch her?«
    Brenna zuckte die Achseln. »Weiß nicht. Hab’ vergessen, es loszulassen.«
    »Dann laßt es jetzt fallen! Sofort! Ihr vergeßt immer alles, und wißt Ihr auch, warum?«
    Brenna verdrehte die Augen. »Weil ich nicht aufpasse und nicht auf das achte, was ich tue, obwohl du mich immer dazu ermahnst, Elspeth.«
    »Ihr hört mir einfach nicht zu, so ist das nämlich! Ihr macht mehr Ärger als all die anderen zusammen. Um Eure älteren Geschwister habe ich mir niemals Sorgen machen müssen. Sogar Eure jüngste Schwester ist braver als Ihr, und das, obwohl sie noch am Daumen lutscht und das Bett näßt! Ich warne Euch, Brenna. Wenn Ihr Euch nicht bald ein bißchen benehmt, dann wird Gott selbst seine wichtigen Aufgaben niederlegen und zu Euch herunterkommen müssen, um Euch ins Gewissen zu reden. Nun, wie gefällt Euch das, hm? Ihr könnt es doch auch nicht leiden, wenn Euer Papa Euch auf den Schoß nimmt und Euch wegen Eures schändlichen Benehmens tadelt, nicht wahr?«
    »Nein, Elspeth. Das mag ich nicht. Ich versuche, mich zu benehmen, versprochen.«
    In der Hoffnung, Elspeth würde ihr ihre Zerknirschung abnehmen, blickte sie traurig zu ihrer Amme auf. Diese schüttelte nur in übertriebener Verzweiflung den
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