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und der verrueckte Maler

und der verrueckte Maler

Titel: und der verrueckte Maler
Autoren: Brigitte Johanna Henkel-Waidhofer
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Werken dieser Art hatte er gar kein Verhältnis. Modern musste Kunst sein, wenn sie ihm gefallen sollte. So modern wie die Musiker, mit denen er als Mitarbeiter in Sax Sendlers Musikagentur zu tun hatte. Bei ihm fielen schon die Beatles unter Klassik. Und alle Maler vor Cy Twombly waren für Bob fade Vorläufer der Fotografie.
    »Absolut. Ich hab’s ihm ja beschrieben«, sagte Justus. Dann erzählte er in ein paar Sätzen von dem grässlichen Krach, den das Kunstwerk zwischen Tante Mathilda und Onkel Titus ausgelöst hatte.
    »Und du glaubst, dass der Mann euch Geld dafür zahlen will?« Bob stand immer noch staunend vor dem gelb leuchtenden Ungetüm.
    Peter nahm die Begegnung mit dem Werk gelassen. »Es gibt fast nichts, was es nicht gibt«, teilte er den Freunden mit. »Und fast alles findet seinen Liebhaber.«
    »Kommen wir nunmehr vom Philosophischen zum Praktischen«, spottete Justus. In einer Ecke des Schuppens hatte er die Reste eines Brokatvorhangs entdeckt. Er trug den Stoff nach draußen und breitete ihn auf der Erde aus. Bob undPeter hoben das Gemälde an und legten es vorsichtig darauf. Im hellen Sonnenlicht konnten die drei ??? das Kunstwerk jetzt richtig betrachten. Wie so viele vor und nach ihm hatte der Maler als Motiv eine Lichtung im Herbstwald gewählt. Alles war gelb, natürlich in unterschiedlichen Farbtönen.
    Sogar die Baumstämme waren fahler, als Bob je welche im Wald hätte finden und fotografieren können. Sie gingen in die Knie und betrachteten das Kunstwerk eingehend von allen Seiten.
    Justus fuhr mit dem Zeigefinger ganz sachte über die Farben. »Handwerklich gar nicht übel.«
    »Trotzdem gibt es keinen Grund, dafür auch nur fünfzig Dollar zu verschwenden«, sagte Peter.
    »Und erst recht keinen, deswegen nachts hier einzubrechen.« Bob tippte sich an die Stirn.
    »Das ist interessant.« Justus hatte sich tief über den rechten unteren Rand des Gemäldes gebeugt, sodass seine Nase jetzt fast auf die Leinwand stieß.
    »Rechts unten stehen doch auf Bildern immer die Namen der Maler und das Jahr, in dem sie gemalt wurden. Und wisst ihr, was hier steht?«
    »Mach’s kurz, Justus, wir sind keine Hellseher«, drängte Bob. »Durchsichtig ist dein Charakterkopf auch nicht.«
    Ächzend erhob sich Justus Jonas und machte noch eine bedeutungsvolle Pause. »Da stehen die Buchstaben A und W. Und die Zahlen zwei null null vier.«
    »Sehr witzig.« Peter legte sich flach auf den Boden und nahm dieselbe Stelle ins Visier. »Tatsächlich«, sagte er und kramte einen Zettel heraus, um das aufzuschreiben.
    »Aber von Andy Warhol ist das Bild nicht. Darauf verwette ich eine von meinen beiden Kontaktlinsen«, rief Bob. Sie prusteten los.
    »Dieses futuristische Kunstwerk sollten wir mal ein bisschen auseinandernehmen«, schlug Justus vor. »Vielleicht finden wir auf der Rückseite der Leinwand noch etwas.«
    Bob winkte ab. »Wozu denn das? Es kostet uns eine Menge Zeit, wenn wir es hinterher wieder sauber zusammenbasteln müssen. Und das nur auf den kühnen Verdacht hin, dass damit irgendetwas nicht stimmt.«
    »Und mit dem Interessenten«, warf Justus ein.
    »Davon gibt es ja vielleicht sogar drei«, erinnerte Peter an die beiden nächtlichen Besucher, die Justus verjagt hatte.
    »Nichts als Spekulation«, knurrte Bob. »Seit wann arbeiten wir denn auf dieser Basis?«
    Peter sah ihn spöttisch an. »Es gibt genau zwei Möglichkeiten, warum du keine Lust hast. Die eine ist theoretisch und heißt Pythagoras. Und die zweite ist praktisch und heißt Elizabeth.« Bob fuhr wütend hoch. Aber als er Peters Grinsen sah, musste er selbst lachen und gab sich geschlagen.
    Eine Viertelstunde später hatten sie sorgfältig alle Einzelteile auf der Brokatdecke ausgebreitet: die eigentliche Leinwand auf einem Keilrahmen, die Klebefolie, mit der alles auf der Rückseite geschützt wurde, und den leeren goldenen Rahmen.
    Sie brauchten keine Kunstexperten zu sein, um zu erkennen, dass diese Leinwand, bevor der Maler sie mit der Lichtung im Herbstwald verziert hatte, schon einem anderen Zweck gedient hatte. An den Rändern, die von dem schäbigen Goldrahmen verdeckt worden waren, wies die Leinwand ein sonderbares Sammelsurium von Zeichen, Zahlen, Linien und Buchstaben auf, gemalt mit schwarzer und mit roter Tusche.
    »Na schön«, sagte Bob, vergrub die Hände in den Hosentaschen und zuckte mit den Schultern. »Unten Geometrie, obendrauf sogenannte Kunst. Was soll’s?«
    »Wir haben einen Auftrag von Onkel Titus«,
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