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und der tanzende Derwisch

und der tanzende Derwisch

Titel: und der tanzende Derwisch
Autoren: Dorothy Gilman
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doch kurz bevor er hineintauchte, sah Mrs. Pollifax, wie er sein Gewand wegwarf und nun eine blaue Windjacke und dunkle Hose trug.
    Neben ihr rief Max verblüfft: »Großer Gott! Dieser Mann hat uns das Leben gerettet! Haben Sie das gesehen?« Da bemerkte er ihren Gesichtsausdruck. »He, alles in Ordnung? Sie sehen aus, als hätten Sie ein Gespenst gesehen!«
    Mrs. Pollifax lehnte sich verwirrt, erstaunt und nachdenklich an die Bordwand. »Das habe ich auch«, antwortete sie schließlich. »Ich habe einen Geist gesehen!« Und als ihr voll bewußt wurde, was sie gesehen hatte — und wen — und sie das Ganze deutete, begann sie zu lächeln und plötzlich warf sie den Kopf zurück und lachte laut.
    Verärgert rief Max: »Also wirklich! Wir haben immer noch fast vierzig Kilometer bis zur Grenze! Worüber in aller Welt lachen Sie?«
    »Über einen unglaublichen Witz«, rief sie zurück »Einen wundervollen Witz! Vergangenes Jahr begegnete ich einem ekelhaften, eingebildeten Kerl und wäre nicht einmal im Traum auf den Gedanken gekommen, daß er einer von Carstairs' Leuten sein könnte, dabei...« Sie beendete den Satz nicht; sie würde Max später davon erzählen, wenn sie nicht mehr zu brüllen brauchten. Statt dessen drehte sie sich um und blickte zurück nach Rouida, das nun, da sie über die Wüste rasten, zum Spielzeugdorf geschrumpft war, und dachte: Salam al eikum, Mr. Mornajay... Ich hoffe, Sie haben nicht nur auf Gott vertraut, sondern auch ihr Kamel angebunden, und werden bald in Sicherheit sein ...
    Keine Hubschrauber kamen, sie aufzuhalten, keine Wagen verfolgten sie, und schließlich schlief Mrs. Pollifax ein wenig, mit dem Kopf an Max' Schulter. Als sie die Augen aufschlug, staunte sie, daß sie bei einer so holprigen Fahrt über Sand, der teilweise zu glasigen Klumpen gebrannt war, überhaupt hatte einnicken können. Über ihnen war der Himmel immer noch mit den Gold-und Aprikosenfarben des Morgens überzogen - sie hatte also gar nicht so lange gedöst -, und als Khaddour fest auf die Hupe drückte, die sich wie das Brüllen von Kamelen anhörte, wurde ihr bewußt, daß sie davon aufgewacht war. Sie setzte sich auf und fragte; »Was in aller...«
    »Dort!« rief Max und deutete.
    Sie lehnte sich über die Bordwand und sah, daß sich voraus das Bild der Wüste leicht veränderte. Niedrige Düne n kamen in Sicht, ein paar Ziegen weideten bei einem Fleckchen kargen Wüstengrases vor zwei niedrigen Zelten. Und da entdeckte sie die Männer: es waren zwei, in groben khakifarbenen Dschellabahs, die mit dem Khakibraun der Wüste ringsum verschmolzen. Turbane waren um ihre Köpfe gewickelt, die selbst das Kinn verbargen und fast auch die Augen, und jeder hatte eine Maschinenpistole um den Rücken hängen. Und während sie erstaunt darauf blickte, winkte einer mit einem Feldstecher, und der andere zog eine Pistole aus dem Gürtel und feuerte vor Begeisterung zum Willkommen ein paar Schüsse in die Luft ab. Der Lastwagen hielt vibrierend, und die beiden Männer rannten herbei, um Sidi Tahar zu begrüßen, ihm herunterzuhelfen und ihn freud ig willkommen zu heißen.
    »Aber - wer sind sie?« fragte Mrs. Pollifax stockend. »Unsere Eskorte - Polisarios«, antwortete Max fast ehrfürchtig. »Sie sagen Sidi Tahar, daß sie seine Nachricht erhielten und schon lange auf ihn warten. Wir sind herzlichst willkommen!«
Willkommen! dachte sie. Welch ein wundervolles Wort, nachdem sie durch das ganze Land gehetzt wurden, sich immer verstecken, immer hungern mußten und kaum zum Schlafen kamen. Und jetzt wurden sie von zwei Männern willkommen geheißen, mit denen sie ihre lange Reise zurück in die Sicherheit und zu Cyrus und nach Hause beginnen würde.
Aber Sidi Tahar hatte das letzte Wort - wie immer, dachte sie voll Zuneigung. Dieser Freund Carstairs' stand aufrecht und groß neben dem Laster, mit dem kleinen, müden Ahmad an seiner Seite. Er schaute hoch, begegnete ihrem Blick, lächelte und spreizte die Arme in einer Geste, die die große einsame Wüste einschloß, die schwindenden Farben am Himmel und alle Gefahren des Lebens. »Sehen Sie«, sagte er zu ihr. »So stand es die ganze Zeit geschrieben.«
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