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und der tanzende Derwisch

und der tanzende Derwisch

Titel: und der tanzende Derwisch
Autoren: Dorothy Gilman
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uns! Kommen Sie! Ehe es heller wird ... Wir müssen uns wie Schatten bewegen.«
Ein Hauch Panik befiel Mrs. Pollifax, als sie ihn so reden hörte. Sie war noch nicht bereit weit erzumarschieren, doch das war nicht physisch bedingt, sondern psychisch. Sie zitterte, ihr fehlte momentan der Mut, sich einen Erfolg ihrer Aktion vorzustellen. Sie brauchte Zeit, nachdem sie so weit gekommen war. Sie wollte ihren Protest hinausschreien, wollte Sidi Tahar erinnern, daß sie seit über vierundzwanzig Stunden nicht mehr geschlafen hatte. Und sie wollte mußte hier in dieser relativen Sicherheit noch verweilen, um sich auszuruhen. Sie wollte ... Hier Wurzeln schlagen? fragte ein anderer Teil ihres Ichs höflich. Wie lange möchtest du denn bleiben, Emily? Denn Sidi Tahars eindringlicher Rat bedeutete Leben und Zukunft. Sie biß die Zähne zusammen und plagte sich auf die Füße.
Als hätte er ihre Gedanken gelesen, sagte Sidi Tahar sanft: »Es liegt alles in Allahs Hand - so steht es geschrieben.«
Sie nickte und erinnerte sich, daß das Wort Islam übersetzt Gottergebenheit hieß, und sie wünschte, daß sie ein solches Vertrauen hätte, das Nichtmoslems als puren Fatalismus ansahen. Müde dachte sie an das Sprichwort, das sie in ihrer Kindheit so oft gehört hatte: Hilf dir selbst, dann hilft dir Gott. Das und Sidi Tahars Glauben waren ihr ein bißchen Stütze. Als sie schließlich stand, empfand sie sogar etwas wie schwindelerregenden Wagemut bei dem Gedanken, wie es weitergehen würde. Vielleicht hatte ein wenig der östlichen Philosophie auf sie abgefärbt, oder sie war ganz einfach zu erschöpft, sich Sorgen zu machen. Sie dachte, wenn man mich erwischt und verhaftet, darf ich wenigstens schlafen. Sidi Tahar übernahm nun das Kommando und erteilte strikte Anweisungen: Mrs. Pollifax mußte sorgsam darauf achten, daß ihr Schleier fest saß und ihr Gesicht verbarg, so daß nur ihre Augen zu sehen waren, und Ahmad sollte nicht von ihrer Seite weichen. Wenn Max mit seinen Bartstoppeln den Kopf gesenkt hielt und schlurfte, statt wie ein westlicher Ausländer daherzuschreiten, würde man ihn ohne weiteres für einen Bergbauern halten, doch wie gesagt, er mußte gut darauf achten, wie er ging! Er, Sidi Tahar, würde hier das Reden übernehmen, denn Max' Arabisch war das der Städte, doch die Menschen hier waren Berber. Von seiner Zuversicht angesteckt, machten sie sich daran, den Schutz der Berge zu verlassen. In der Dämmerung kurz vor dem Sonnenaufgang näherten sie sich Rouida aus dem Westen, während die noch ferne Kamelkarawane aus dem Süden darauf zukam. Mrs. Pollifax hoffte, daß sie sich wie Schatten bewegten, doch als sie das letzte karge Dickicht hinter sich ließen, kam sie sich wie auf dem Präsentierteller und furchtbar schutzlos vor; hier gab es nichts, wo sie sich hätten verstecken können, und nachdem sie sich so lange versteckt gehalten hatte, erschreckte sie die offene Weite.
Als sie sich dem Dorf näherten, hob es sich deutlicher aus der Dämmerung und nahm Form an. Mrs. Pollifax sah einen runden Brunnen auf dem ungepflasterten Dorfplatz -und dann den Wagen. Er war ganz in der Nähe des Brunnens geparkt und paßte so gar nicht in diese primitive Szenerie, daß er ihr Unbehagen steigerte; er war hier, am Rand der Wüste, eine Anomalie, er gehörte nicht hierher, er deutete auf einen Boten aus der Stadt, ja, auf Gefahr hin. Doch dann - noch schlimmer bemerkte sie auch noch einen Mann, der zusammengekauert auf der Stufe zum Brunnen schlief. Ohne Zögern führte Sidi Tahar sie an diesem Mann vorbei, der aus dem Schlaf schreckte und sie aus verquollenen Augen anstierte. »Salam«, grüßte Sidi Tahar. Der Mann nickte, erwiderte etwas und schaute ihnen neugierig nach. Mrs. Pollifax blickte nicht zurück, sondern schlurfte hinter Max her, vorbei an einem länglichen Haus mit einem Coca-Cola-Schild. Dann führte Sidi Tahar sie gnädigerweise in einen engen Durchgang zwischen zwei Häusern. Sie seufzte erleichtert, als sie nicht mehr jedermanns Blick ausgeliefert waren.
Sie sagte: »Der Wagen...«
Sidi Tahar nickte. »Ja, er hat ein marokkanisches Nummernschild. Passen Sie auf Ihren Schleier auf!« Sie nickte und hielt mit einer Hand den Schleier fest, während ihr Herz heftig pochte.
Die Illusion, hier nicht gesehen zu werden, war kurz, denn das Dorf schlief gar nicht mehr. Daß es längst wach war, hatten nur die Mauern verborgen. In der Seitenstraße standen die Türen weit zu dunklen Zimmern offen. Es roch nach
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