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und der tanzende Derwisch

und der tanzende Derwisch

Titel: und der tanzende Derwisch
Autoren: Dorothy Gilman
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wachsenden Hunger - wie Pfannkuchen. Ein paar waren gut sechs Meter hoch und boten den Wanderern bloß soviel Platz dazwischen, daß sie sich hindurchquetschen konnten. Andere türmten sich wie Mauern auf, die nur umgangen werden konnten, während die niedrigeren auf Händen und Knien zu bezwingen waren. Allmählich wurden die Felsen weniger schroff und mächtig, und es fiel leichter, sie zu überklettern. Im kalten Mondschein schien es Mrs. Pollifax sogar, daß sie jetzt einem Pfad folgten, den Hirten getreten hatten oder möglicherweise - aber dieser Gedanke gefiel ihr weniger - andere Flüchtlinge, hinter denen Polizei oder Militär her gewesen war - wie jetzt hinter ihnen. Während sie hinter Ahmad herstapfte, kam ihr plötzlich in den Sinn, daß sie nicht die geringste Ahnung hatte, welcher Wochentag in wenigen Stunden dämmern würde. Ihre Abreise von zu Hause schien ihr eine Ewigkeit zurückzuliegen. Fast schockartig wurde ihr bewußt, daß sie sich noch nicht einmal eine ganze Woche in Marokko befand. Aber dies war nicht der Augenblick, Tage und Orte an den Fingern abzuzählen, zumal sie vor Kälte starr waren. Vage fragte sie sich, wo Cyrus sein mochte und was er gerade tat -vermutlich schlafen -, aber es war besser, jetzt nicht an ihn zu denken, auch nicht ans Schlafen, und erst recht nicht, wie hungrig sie war und wie sehr sie fror. So konzentrierte sie sich auf Ahmad, der mit beneidenswerter Agilität über die felsigen Hindernisse kletterte. Unwillkürlich dachte sie an das Dorf, aus dem sie gekommen waren, und daran, daß Mahfoud so geredet hatte, als würde Ahmads Vater seinen Sohn nie mehr zurückholen; und sie fragte sich wieder, was er ahnte und befürchtete. Sein Verhalten hatte sie zu dem Zeitpunkt beunruhigt, als Max übersetzt hatte, und es beunruhigte sie auch jetzt. Wir konnten ein paar Leben retten, dachte sie. Nicht viele, nicht Hamoud ou Azus in Fes und vielleicht auch nicht das des verhafteten Ibrahims aus Er Rachidia; aber den jungen Kellner in Erfoud konnte ich rechtzeitig warnen, und in Tinerhir haben wir Omar und seiner Tochter geholfen, sich in die Wüste abzusetzen. Bis jetzt lebte auch Sidi Tahar noch, und er hatte selbst unter Druck den Namen des Informanten nicht verraten, zu dem sie nun unterwegs waren.
Also gab es auch hier Hoffnung... Genügte es, was sie getan hatten?
Darauf gab es keine Antwort, und jetzt mußten sie eine Möglichkeit finden, sich selbst zu retten.
Sie waren etwa zwei Stunden dahingestapft, als Max abrupt die Hand hob. »Horchen Sie!« sagte er scharf.
Sie blieben stehen, lauschten und hörten es nun ebenfalls: das langsame, gleichmäßige Dröhnen einer Maschine zerriß die Stille der Nacht und kam auf sie zu.
»Am Himmel!« sagte Max. »Hört sich wie ein Hubschrauber an — ein ziemlich tief fliegender noch dazu.«
Verblüfft entgegnete sie: »Aber sie können uns doch in der Dunkelheit nicht sehen!«
»Möglicherweise schon. O Gott, sie können es durchaus, wenn sie Nachtsichtgläser haben!«
Einen Moment war sie wie betäubt, dann krächzte sie: »Verstecken!« Sie blickte verzweifelt um sich, dann deutete sie auf einen riesigen Brotlaibfelsen, in dessen Fuß Erosion ein Loch gefressen und einen niedrigen Überhang zurückgelassen hatte. Sie rasten über Felsbrocken springend darauf zu und konnten sich in den engen Spalt zwängen, ehe das Hubschrauberdröhnen ohrenbetäubend wurde.
Schaudernd sagte sie: »Er muß wirklich sehr niedrig fliegen.«
Der Strahl des Suchscheinwerfers erreichte sie als erstes: ein schrecklicher, greller Lichtfinger, der zwischen den Felsen nach ihnen suchte, sondierte, tastete, fast menschlich wirkte, während er Felsen um Felsen taghell beleuchtete. Wie Treiber, die auf die Büsche klopfen, um Wild aufzuscheuchen, dachte Mrs. Pollifax, und sie vier waren das Wild, das sie aufspüren und ins Freie treiben wollten, um es vor die Flinte zu kriegen. Und der schreckliche Krach, den dieses Ungeheuer machte, das unsichtbar über ihnen schwebte, begleitete das Licht. Der Hubschrauber war so nahe und so tief, daß seine Rotorblätter die Luft um sie peitschten, und die Grashalme in den Felsspalten erzitterten.
Sowohl Lärm wie Licht waren erschreckend. Die Zeit stand still, während sie warteten und horchten. Mrs. Pollifax ertappte sich dabei, daß sie den Atem anhielt, als könne sie solcherart unsichtbar werden. Endlich flog die monströse Maschine weiter. Allmählich beruhigten sich Luft und Gras, und der Krach der wirbelnden
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