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Und das ewige Licht leuchte ihr - Granger, A: Und das ewige Licht leuchte ihr - Rattling the bones

Und das ewige Licht leuchte ihr - Granger, A: Und das ewige Licht leuchte ihr - Rattling the bones

Titel: Und das ewige Licht leuchte ihr - Granger, A: Und das ewige Licht leuchte ihr - Rattling the bones
Autoren: Ann Granger
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Lebensunterhalt als Schauspielerin zu verdienen – in letzter Zeit als eine Art Teilzeit-Detektivin betätigt. Möglicherweise hat die bereits erwähnte hohe Todesrate meiner wenigen Verwandten damit zu tun. Sie führte dazu, dass ich bereits mit sechzehn Jahren allein auf der Welt und heimatlos geworden war. Mein Schauspielunterricht fand damals ein abruptes Ende. Doch ich habe noch eine andere Theorie.
    Von Kindheit an habe ich stets auf eigene Faust herausfinden müssen, was rings um mich herum vorging. In meiner Familie wurde ein Kind geliebt, ernährt und gut erzogen, doch es wurde nicht in wichtige Diskussionen einbezogen. Niemand erklärte mir, wohin meine Mutter gegangen war, abgesehen von einer erbärmlichen Ausrede von irgendeinem »Urlaub«, die niemanden genarrt hätte, ganz zu schweigen von einer Siebenjährigen mit dem klaren, logischen Verstand eines Kindes. Mein Vater und meine Großmutter zusammen mit der bunten Schar von Besuchern, die immer wieder an unserer Tür auftauchten, tauschten Informationen von sensitiver Natur vermittels Blinzeln und Blicken und unmerklichem Nicken aus. Und wenn es einmal notwendig wurde zu reden, steckten sie in der Küche die Köpfe zusammen und redeten ganz aufgeregt auf Ungarisch miteinander, das Vater und Großmutter mich zu lehren versäumt hatten. Ich hatte immer geglaubt, es wäre nur ein Versehen gewesen, dass sie mich die Sprache meiner Vorfahren nicht gelehrt hatten. Heute frage ich mich, ob es damals nicht gerissene Schläue war.
    Das Resultat von alledem jedenfalls war, dass ich früh lernte, auf Indizien zu achten. Ich schlich durch die Wohnung auf der Suche nach verräterischen Stücken Papier und hielt die Ohren auf, wenn Anrufe kamen. Ich studierte den Ausdruck auf den Gesichtern meines Vaters und meiner Großmutter, wenn sie sich unbeobachtet glaubten. Ich durchsuchte Schubladen, wenn ich allein zu Hause war. Einmal fand ich einen richtigen Schatz alter Fotografien. Ich ging sie alle durch auf der Suche nach einem Bild mit meiner Mutter darauf, doch sie war auf keiner einzigen Aufnahme zu sehen. Und wieder weiß ich bis zum heutigen Tag nicht, ob dies ein Zufall war oder ob irgendjemand die Schnappschüsse von ihr aussortiert und ins Feuer geworfen hatte. Niemand klärte mich je auf, und selbstverständlich wagte ich nicht zu fragen. Ich hätte sowieso nur eine Ausflucht zur Antwort erhalten anstatt der unverblümten Wahrheit.
    Alte Fotografien faszinieren mich seither ununterbrochen. Sie öffnen ein fesselndes Fenster in die Vergangenheit. Die Silhouettenbilder ebenfalls, welche die Leute gemacht haben, bevor es Kameras gab. Ich habe brillante Exemplare in Antiquitätengeschäften gesehen. Auch wenn keine Gesichtszüge erkennbar sind, bin ich sicher, dass die abgebildeten Personen unverkennbar waren – zumindest für diejenigen aus dem persönlichen Umfeld. Gesichter sind nicht das Einzige, woran andere Menschen uns erkennen. Körpersprache ist individuell, eine Angewohnheit wie das Drehen einer Haarlocke um den Finger oder auch nur eine bestimmte Haltung beim Stehen. Manche Menschen kann man schon aus großer Entfernung erkennen, und zu jenen gehörte auch Edna, die alte Stadtstreicherin.
    Edna und ich waren früher für eine Weile sozusagen Nachbarn gewesen. Ich hatte damals in Rotherhithe in einem besetzten Haus gewohnt und Edna auf einem verlassenen Kirchhof ganz in der Nähe mit einer Familie verwilderter Katzen als Gesellschaft.
    Die eingangs geschilderten Ereignisse hatten dazu geführt, dass ich zur Hausbesetzerin geworden war, und ich nehme an, dass irgendeine andere Unbill des Schicksals Edna in die Welt der richtigen Obdachlosen geführt hatte. Sie gehörte zu jenen, die durch sämtliche Löcher in den Maschen des sozialen Netzes gefallen waren, entweder absichtlich oder durch schlichte Unachtsamkeit von Seiten der Behörden. Eine Angehörige des verlorenen Stammes, abgetrieben vom Ufer des Normalen, um alleine zu schwimmen oder unterzugehen, wenn schon nicht der Fürsorge der Gemeinde anvertraut, was im Endeffekt oftmals nur wenig besser ist.
    Vor nicht allzu langer Zeit ermöglichte mir eine Laune des Schicksals den ersten Schritt aus dieser verlorenen Welt und dem besetzten Haus in Rotherhithe. Die Stadtplaner in ihren modernen, hellen Büros hatten entschieden, dass wir alle dem Fortschritt und der Stadtteilsanierung zu weichen hatten, ohne Rücksicht darauf, wohin wir gingen. Die Häuser in der Jubilee Street und den umgebenden
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