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Und dann der Himmel

Und dann der Himmel

Titel: Und dann der Himmel
Autoren: Jan Stressenreuter
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Anja den Hamster mit einem Pfund Jacobs Krönung platt gemacht hat. Und das alles kurz vor Weihnachten. Männer sind Schweine. Meine Stimmung ist also zurzeit nicht die Beste.
    Jedenfalls, nachdem ich Finn, den Fremdgeher und Hamsterhasser, in die Wüste geschickt hatte – beziehungsweise dahin, wo er hergekommen ist, nämlich zurück in die Alpen –, atmete ich tief durch und betrachtete mich kritisch im Spiegel. Abgesehen von den Sommersprossen auf meiner Nase, die mich schon seit meiner Kindheit nerven, sah ich doch eigentlich ganz gut aus. Ich hatte einen modernen Stoppelhaarschnitt, der die rotblonde Farbe meiner Haare minimierte, eine passable Figur, und der Kinnbart, den ich mir vor einiger Zeit hatte stehen lassen, verdeckte die kleine Narbe an der Oberlippe. Es konnte also doch nicht an meinem äußeren Erscheinungsbild liegen, dass ich bei Männern immer wieder daneben griff, oder?
    Gedankenverloren drückte ich an einem Pickel herum, der sich auf meiner Stirn gebildet hatte. „O Gott“, murmelte ich schließlich deprimiert, denn in Finn hatte ich mehr Hoffnungen investiert, als ich mir eingestehen wollte, „warum suche ich mir immer solche Idioten heraus? Das ist einfach nicht fair!“ Danach hing ich einem wunderschönen Tagtraum nach, in dem es darum ging, dass jemand anders für mich auf Männerfang geht, mir den Mann meiner schlaflosen Nächte auf einem Silbertablett serviert und ich nur noch zuzugreifen brauche.
    Und jetzt liegt der schönste und geilste Mann, den ich je in meinem Leben gesehen habe, auf einem Feldbett in der Rumpelkammer, schnarcht und behauptet, mein helfender Engel zu sein.
    Obwohl es mitten in der Nacht ist, hackt Finn Holz. Er trägt eine verwaschene Jeans und einen ausgeleierten roten Pullover, der sein breites Kreuz und die Muskeln seiner Oberarme verbirgt. Seine dunklen, kurz geschnittenen Haare glänzen verschwitzt. Eine kleine Gaslampe an der Hauswand erhellt notdürftig den lehmgestampften, gefrorenen Platz vor der Eingangstür und in dem fahlen Lichtkreis kann man nicht erkennen, dass Finn ein Riese von über einem Meter neunzig ist. Der Wald, der an das Grundstück angrenzt, liegt im Dunkeln, gerade außerhalb von Finns Blickfeld, aber man kann ihn hören: knarrende Äste, Rascheln im Unterholz und hin und wieder das verärgerte Gezänk eines Vogels, der sich in seiner Nachtruhe gestört fühlt. Auf einem der Nachbargehöfte schlägt ein Hund an, ansonsten herrscht Stille in der Einöde um ihn herum.
    Finn schwingt das Beil mit beiden Händen über den Kopf und lässt es mit voller Wucht auf das Holzscheit niedersausen. Das Beil bohrt sich bis zur Mitte des Scheits und bleibt dann stecken. Finn stöhnt angestrengt und schlägt erneut zu. Diesmal gibt es ein lautes Knacken und der Holzblock fällt in zwei Stücken zu Boden. Zufrieden betrachtet Finn den Stapel Kaminholz, den er in der letzten Stunde geschlagen hat, und wischt sich den Schweiß von der Stirn. Die körperliche Anstrengung hat ihm die Kälte vom Leib gehalten und lässt das Blut in seinen Adern zirkulieren. Und sie erlaubt ihm, seine kreisenden Gedanken wenigstens für eine Weile abzustellen.
    Schon am Abend, bevor er sich ins Schlafzimmer zurückgezogen hat, hatte Finn gewusst, dass er kein Auge zumachen würde. Auch die zwei Gläser Brandy, die er schnell hintereinander heruntergekippt hatte, und der Versuch, sich mit einem seiner Lieblingskrimis abzulenken, haben daran nichts geändert. Er hat hellwach im Bett gelegen, sich hin- und hergewälzt und den Schlaf wie eine Droge herbeigesehnt. Selbst das eintönige Nachtprogramm im Radio hat nicht den gewünschten Effekt gehabt. Schließlich ist er verärgert aufgesprungen, hat sich angezogen und seinen Frust und seine Wut auf Marco am Kaminholz ausgelassen. So hat er wenigstens das Gefühl, etwas Sinnvolles getan zu haben.
    Gedankenverloren kratzt Finn sich die Bartstoppeln und registriert abwesend, dass er sich rasieren muss, wenn er nicht Gefahr laufen will, einen Vollbart zu bekommen. Ein weiteres Zeichen der schleichenden Vernachlässigung, die er in den letzten Tagen an sich bemerkt hat. Im Mülleimer stapeln sich leere Suppendosen und die aufgerissenen Schachteln von Mikrowellenmenüs; der Abfluss im Badezimmer müsste repariert werden und vom Dach sind bei dem Sturm vor vier Nächten einige Ziegel heruntergefallen. Beim nächsten Unwetter wird es durchregnen, aber all das geht ihm am Arsch vorbei.
    Finn schnalzt verärgert mit der Zunge. Er hasst
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