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Und bitte für uns Sünder

Und bitte für uns Sünder

Titel: Und bitte für uns Sünder
Autoren: Susanne Hanika
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der katholischen Messe auch bereit war, bestimmte Handzeichen zu
machen, um sich als Lutherischer zu outen.
    Ich fand das im Prinzip eine tolle Sache. Und vor allen Dingen
ausbaufähig. Man könnte auch Handzeichen einführen, um die ungläubigen
Katholiken zu outen.
Bin-eigentlich-ungläubig-aber-meine-Frau-zwingt-mich-Handzeichen. Oder das
Man-weiß-ja-nie-vielleicht-stimmt’s-ja-doch-mit-der-Auferstehung-Handzeichen.
Dann bräuchte sich der Meilinger nicht so blöd vorkommen, mit seinem
Lutherischen-Handzeichen.
    Ich fuhr dem armen Heiligen, der keinen fand, der seine Nische
verputzte, auch ein paarmal mit dem Staubwedel über das Gesicht. Dann blieb ich
vor der Erntedankkrone stehen. Wenn ich die mit dem Wedel auch nur berührte,
würde ich vermutlich eine Staublunge bekommen und mein Lebtag so keuchen wie
der alte Meier, der immer geraucht hatte. Ich beugte mich etwas nach vorne, um
zu sehen, ob ich vielleicht nur die Erntedankkrone umdrehen musste, um sie
etwas sauberer erscheinen zu lassen. Aber hinten war sie noch dreckiger. Ein
Saustall war das, fuhr es mir durch den Kopf, als ich sah, dass hinter der
Erntedankkrone auch noch jede Menge andere Dinge standen. Unmöglich.
    Â»Unmöglich«, sagte Großmutter so nah hinter mir, dass ich vor
Schreck quietschte. »Die ziehn wir jetzt vor.«
    Die Erntedankkrone. Ich sah meine gesamte Wochenendplanung den Bach
hinuntergehen. An der Krone rumzupfen, das dauerte Jahre. Und bevor ich auch
nur ansatzweise an Sex mit Max denken durfte, musste ich mich wahrscheinlich
drei Tage in der Badewanne einweichen. Und eigentlich wollte ich gar nicht
wissen, was sich hinter der Erntedankkrone alles angesammelt hatte. Das war wie
bei uns in der Küche. Das Zeug blieb so lange an seinem Platz stehen, bis die
Spurensicherung auftauchte und alles mitnahm.
    Â»Geh, Mädl«, sagte Großmutter. »Stell dich ned so an. Wir lassen uns
ned nachsagen, wir hätten ned g’scheit geputzt.«
    Ich ließ mir gerne Sachen nachsagen, hätte ich ihr am liebsten
gesagt, das war meine Spezialität. Man sagte mir nach, der Mesner sei mein
Vater oder auch der Organist. Beide waren bereits tot und konnten sich nicht
wehren. Toten Männern aus meinem Dorf wird gerne unterstellt, mein Erzeuger zu
sein. Außerdem sagte man mir nach, meine Mutter sei von uns gegangen, weil sie
lieber als Prostituierte in Hamburg arbeiten wolle, als mit ihrer schizophrenen
Mutter zusammenzuleben. Genauso gerne sagte man mir nach, dass ich bestimmt
bald schwanger werden würde von dem feschen Kommissar Max Sander.
    Das Letzte war wohl die Nachsagung, die mich am wenigsten störte.
Denn das war im Prinzip durchaus möglich. Max war nämlich wirklich fesch. Und
er war mein Freund. Bis jetzt hatte er sich nicht einmal davon abschrecken
lassen, dass ich innerhalb von sechs Monaten schon in zwei Mordfälle, in denen
ausgerechnet er ermitteln musste, verwickelt worden war. Das konnte man ihm
durchaus hoch anrechnen. Außerdem ertrug er ohne zu mucksen den Strahlenapparat
von Großmutter, ihre ständige Angst, vom CIA oder KGB beschattet zu werden, und, das war vielleicht das
Wichtigste, er schwieg über unsere Beziehung zu dem verstorbenen Papst Luciano.
    Ich zog eine Schachtel mit Kerzenstummeln hervor und stocherte ein
wenig mit einem Finger darin herum. Da Großmutter den Orgelaufgang wieder
verlassen hatte, um den Putzeimer im Pfarrhaus mit Wasser zu füllen, stellte
ich die Kerzenstummel schnell wieder in die hinterste Ecke, beförderte einen
Schub neuer Kerzen mit einem Fuß dekorativ nach vorne und machte mich daran, an
einer größeren hölzernen Kiste zu zerren. Bestimmt bekomme ich davon einen
Bandscheibenschaden, dachte ich mürrisch bei mir, als ich sie nach langem
Ziehen endlich vorne hatte. Ich hörte, dass Großmutter wieder in die Kirche
kam. Mist. Ich hätte in der Zeit noch alles Mögliche verschwinden lassen
können, das ich jetzt bestimmt würde putzen müssen.
    Â»Stell dir doch nur vor, was der Rosenmüller sagt, wenn er hört,
dass wir nicht gescheit sauber machen«, erklärte Großmutter ihren Putzdrang.
»Der meint ja, er wär im Urwald.«
    Ich verdrehte gehörig die Augen. Der Rosenmüller war unser neuer
Pastoralreferent. Und der hatte bestimmt etwas Besseres zu tun, als hinter
unseren Erntedankkronen nachzuschauen, ob da abgestaubt war oder nicht. Ich
hütete mich aber,
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