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Und bitte für uns Sünder

Und bitte für uns Sünder

Titel: Und bitte für uns Sünder
Autoren: Susanne Hanika
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Essen …«
    Meine Großmutter klapperte sehr sinnreich mit dem leeren Putzeimer
und machte dabei mitfühlende Geräusche. Durch das Putzeimerklappern klang das
Mitgefühl jedoch nicht sehr überzeugend. Ich lehnte mich vorsichtshalber gegen
die Kirchentür, die mich quasi ins Innere saugte. Die Ernsdorferin sah ziemlich
böse aus, weil es Großmutter hinterhersaugte. Es sah anscheinend so aus, als
würden wir uns nicht für den Ernsdorfer, den alten Bürgermeister,
interessieren.
    Â»Bevor ich in ein Pflegeheim geh, machst besser so mit mir …«, sagte
Großmutter und machte eine Handbewegung wie die, mit der sie früher routiniert
Gockerln geschlachtet hatte.
    Â»Ah geh, Großmutter«, sagte ich. »Denk doch kein solches Zeug.« Der
Max lässt mich glatt sitzen, wenn ich das mache, dachte ich nur und nahm ihr
den Putzeimer ab.
    Die Frühlingsluft war noch nicht bis in die Kirche vorgedrungen.
Während draußen die Luft nach Sonne schmeckte und Vogelgesang mit sich wehte,
kam es einem vor, als wäre hier die Zeit stehen geblieben. Als hätte sich der
Winter bockig in eine Nische gesetzt und würde hier in der Kirche seine Zeit
absitzen. »Geh, Mädl«, sagte Großmutter, als könnte sie meine Gedanken lesen.
»Stell dich ned so an. Nimm den Putzhadern und fang an!«
    Ausgerechnet mich schickte Großmutter in den Orgelaufgang. Wo ich
seit dem letzten Herbst eine durchaus berechtigte Antipathie gegen
Orgelaufgänge jeglicher Art entwickelt hatte. Meine letzte Leiche hatte ich
nämlich auf der Orgel liegend gefunden, das prägt die Beziehung zu
Orgelaufgängen ungemein. Außerdem fand ich es total verschwendete Zeit, im
Orgelaufgang Staub zu wischen. Wer kam denn da schon her, außer dem Sebastian
natürlich, der brav bei jeder Messe, jedem Requiem, jeder Taufe und jeder
Hochzeit orgelte. Nicht, dass wir so viele Taufen und Hochzeiten gehabt hätten.
    Aber Todesfälle, dachte ich, während ich voller Abneigung die Tür
öffnete. Todesfälle gab es bei uns jede Menge. Und wenn es einen Todesfall gab,
dann waren Großmutter und ich immer mitten dabei. Doch wenn ich mich geweigert
hätte, in den Orgelaufgang zum Putzen zu gehen, hätte Großmutter mich bestimmt
nur wissen lassen, dass ich wie die Bet sei, dieses faule Drutscherl, die nur
dort putzen will, wo der Pfarrer tanzt. Nicht, dass unser Pfarrer irgendwo
tanzen würde, weder in der Kirche noch im Orgelaufgang noch außerkirchlich. Das
war nur so eine Redewendung, wenn man nur dort putzt, wo es alle sehen. Reicht
doch, möchte man meinen. Reicht nicht, findet Großmutter. Und dass es mich im
Orgelaufgang gruselte, hätte sie nur lächerlich gefunden.
    Eigentlich hätten mich allein diese Gedanken davon überzeugen
müssen, besser nicht im Orgelaufgang zu putzen. Es war eine fast telepathische
Voraussicht, dass dieser Ort mir und Großmutter nichts Gutes bringen würde.
Außer Arbeit und Ärger.
    Aber ich glaube nicht an den Blick in die Zukunft. Ich fürchte mich
zwar sehr häufig und ausdauernd, aber meine Ahnungen ignoriere ich vehement.
Ich will nicht so werden wie Großmutter. Keine Gotteseingebungen und so. Ich
spürte in diesem Moment sehr deutlich, dass mein Widerwille, den Orgelaufgang
zu putzen, nur mit geradezu übermenschlicher Kraft überwunden werden konnte.
    Im Nachhinein listete ich die Punkte auf, die mich hätten stutzig
machen sollen. Orgelaufgang. Schlecht. Widerwille gegen Putzen. Auch schlecht.
Kalte Raumtemperatur. Sehr schlecht.
    Aber Großmutter fand, dass es, seit die kleine Statue des heiligen
Ignatius im Orgelaufgang versteckt worden war, eine geradezu heilige Pflicht
war, hier zu putzen. Eine Schande war es ohnehin schon, dass der heilige Ignaz
hier stand und nicht in der Kirche, wo er hingehörte.
    Was soll man machen, hatte die Kathl, unsere älteste
Rosenkranztante, gesagt. Wenn doch die Wand bröckelt, in seiner Nische.
    Was wird man schon machen sollen, hatte Großmutter geantwortet, da
fragts den Troidl, ob er nicht einen Eimer Mörtel mitbringen kann.
    Leider war es momentan keinem Mann aus unserem Dorf zuzumuten, dass
er einen Eimer Mörtel anrührte. Und der einzige Fähige war dummerweise
evangelisch. Nicht, dass die Kathl Hemmungen gehabt hätte, den zu fragen. Aber
seit Neuestem war er etwas indigniert, weil ihn alle darauf ansprachen, ob er
während
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