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Um Mitternacht am schwarzen Fluß

Um Mitternacht am schwarzen Fluß

Titel: Um Mitternacht am schwarzen Fluß
Autoren: Stefan Wolf
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du’s?“
    „Hallo Jürgen. Natürlich, Schatz! Was
ist los? Du wolltest doch längst hier sein.“
    Er keuchte. „Inge, du... du... bist
gesund? Alles in Ordnung?“
    „Ja, natürlich.“ Ihre Stimme klang
verwundert. „Warum denn nicht? Was hast du?“
    „Im... im Einkaufs-Center wurde eine
Frau niedergeschossen. Bei einem Überall. Gesehen habe ich sie nicht. Man hat
mir nur den Kundenausweis gezeigt, den sie bei sich trug. Jetzt wird sie im
Regina-Krankenhaus operiert.“
    „Nein!“ Inges Stimme war ein Aufschrei.
„Jürgen! Ich habe Bärbel den Ausweis geborgt, damit sie auch mal verbilligt...
O Gott!“
    Er atmete tief. Bärbel Schübke, ihre
Freundin. Natürlich! Manchmal spielte das Schicksal verrückt. Arme Bärbel! Sie
war ein netter Mensch.
    „Vielleicht kommt sie durch“, sagte er.
„Ich bin hier im Krankenhaus. Weil ich dachte, du wärst... Sobald ich was weiß,
rufe ich an. Ja? Schatz, ich... ich... aber das sage ich dir nachher.“ Und
dann, als müsse er beim Schicksal was gutmachen, setzte er hinzu: „Grüß Erna
von mir.“
    Als er durch die Halle ging, mußte er
an sich halten, um nicht zu hüpfen.
    Der Assistenz-Arzt kam ihm entgegen.
Lächelnd.
    „Eine gute Nachricht, Herr Becker. Ihre
Frau ist über den Berg. Die Operation verlief ausgezeichnet. Das Geschoß hat
kein lebenswichtiges Organ verletzt. Es besteht keine Lebensgefahr.“
    „Das freut mich riesig. Aber es ist
nicht meine Frau. Eben habe ich den Irrtum festgestellt.“
    Er erzählte, ging dann wieder zum
Telefon und verständigte Inge.
    Als er aufgelegt hatte, fiel ihm Gnazow
ein.
    Dieser Verbrecher!
    Aber wie sonderbar! Jetzt, da es keine
persönliche Sache mehr war, verflog der Haß wie weggeblasen.
    Himmel! dachte er. Ich war drauf und
dran, auf eigene Faust abzurechnen. Selbstjustiz wäre das geworden. Und das mir
als Polizeibeamten! Hoffentlich lebt der Kerl noch in seinem Schacht.
    Er rief im Präsidium an, fragte nach
einem diensthabenden Kommissar und wurde mit Gabys Vater verbunden.
     
    *
     
    Gaby faßte sich kurz. Sie brauchte nur
drei Minuten, um ihrem Vater das Wichtigste zu erklären.
    „...und deswegen, Papi“, schloß sie
ihren Bericht, „sind wir jetzt hier in der Hilleberger Straße und warten auf
den Kerl. Sagte ich seinen Namen schon?“
    „Bis jetzt nicht, Töchterchen.“
    „Kannst ihn dir ja aufschreiben.
Vielleicht kennst du ihn sogar. Gnazow heißt er, Theo Gnazow.“
    „Wie bitte?“
    „Weshalb schreist du denn so?“
    „Unmittelbar vor deinem Anruf, Gaby,
verständigte mich Polizeimeister Becker. Gnazow hat das Einkaufs-Center
Hilleberger Straße überfallen und eine Frau nieder geschossen. Auf der Flucht
stürzte er in einen Schacht — und zwar auf dem Baugelände hinter dem Center.
Der Überfall ist übrigens mißglückt. Erbeutet hat der Kerl keinen Pfennig. Er
steckt noch in dem Schacht. Becker hat ihn eingesperrt. Ich habe eine Streife
hingeschickt. Die Männer sollen dafür sorgen, daß sich Gnazow nicht befreit.
Verhaften werde ich ihn selber.“
    „Dann sehen wir uns gleich“, rief sie. „Selbstverständlich
wollen wir dabei sein.“
    Sie legte auf, ehe er was erwidern
konnte, und lief zu ihren Freunden zurück.
     
    *
     
    Es war nicht weit bis zu dem
Einkaufs-Center, und Tim legte die Strecke mit seinem Rennrad im Sprint zurück.
    Er hängte seine Freunde ab, und er
wollte dort sein, bevor der Streifenwagen eintraf.
    Irre! dachte er. Einfach irre, wie das
Leben sich schlängelt. Aber diese Situation muß ich nutzen. Bestimmt pfeift
Gnazow auf dem letzten Loch. Jetzt sagt er alles.
    Er erreichte das Center, stieß vor auf
das Baugelände und fand sich zurecht.
    Als er sich dem Schacht näherte, hörte
er das Gebrüll. Aber es wurde gedämpft von der Zementplatte.
    Der Kerl hat um sich geschossen,
überlegte Tim. Ob er seine Waffe noch hat?
    Er stellte sich in den toten Winkel,
packte den schweren Deckel und ruckte daran. Vorsichtig legte er einen Spalt
frei. Dann sah er sich um.
    Noch war er allein auf dem Baugelände.
Aber in der Ferne, beim Josephs-Platz, gellte Sirenengeheul. Es näherte sich.
    „Heh, Gnazow!“ sagte er barsch. „Wirf
deine Waffe raus! Los!“
    Und tatsächlich! Eine zerschundene Hand
erschien in der Öffnung. Ein schwerer Revolver klirrte auf den Betonrand und
rutschte in den Kies.
    Sollte mich nicht wundern, dachte Tim,
wenn das ein Colt Peacekeeper ist.
    Er schob die Platte von der Öffnung.
    Gnazow hatte sich in grotesker Haltung
dicht unter dem
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