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Um die Wurst (German Edition)

Um die Wurst (German Edition)

Titel: Um die Wurst (German Edition)
Autoren: Michael Moritz
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Unbekanntes. Er drückte die Klinke der Tür hinunter und überlegte kurz, ob man ihn durch das Holz hindurch abknallen konnte. Er verjagte den Gedanken und stieß die Tür auf. Mit einem Satz, den man seiner Körperfülle nicht zugetraut hätte, stand er im Raum und drückte sich sofort mit dem Rücken an die Wand neben der Tür, die Waffe fest in der Hand.
    Eine graue Katze schlich um ein Bücherregal und schrie nach Fressen. Belledin entdeckte die Scherben einer Vase, die auf dem Boden lagen, setzte Katze und Scherben logisch zusammen und entspannte sich. Er sicherte die Walther und steckte sie ins Holster zurück. Er ging zwei Schritte auf die Katze zu und sagte: »Mikesch, wo waren Sie heute Nacht? Und was haben Sie hier zu suchen?« Er hatte keine Zeit mehr, über seinen kleinen Witz zu lachen. Ein stechender Schmerz, der sich über seinen Hinterkopf ausbreitete, tauchte sein Bewusstsein in tiefes Schwarz.
    *
    Stark war froh, dass sie den Schlachthof verlassen konnte. Der Geruch von Angstschweiß, Blut und Reinigungsmittel hatte ihren Magen in Aufruhr gebracht. Hätte sie sich nicht schon zuvor übergeben, jetzt wäre der Zeitpunkt gewesen.
    Schlachthofbesitzer Ginter war freundlich gewesen. Bislang habe man kein Bolzenschussgerät vermisst, aber er würde sich sofort melden, wenn Derartiges bekannt würde. Er schien nicht geschockt über die Schilderung von Schwarzens Leiche. Stark hatte gehofft, ihm durch den Horrorbericht des Gehäuteten eine mögliche verräterische Reaktion zu entlocken. Aber Ginter hatte es aufgenommen, als handle es sich um eine bockige Sau, die man hatte notschlachten müssen. Der brutale Tod war Alltag für ihn, da konnte man auch bei einem geschlachteten Menschen keine Hysterie erwarten.
    Stark sah auf die Liste der Arbeiter, die sich am Schussbolzen abwechselten. Mit ihnen würde sie noch reden müssen. Aber nicht während der Arbeitszeit. Die Leute schossen und stachen im Akkord, da würde wohl keiner gerne wegen einer Befragung auf Lohn verzichten wollen. Sie überlegte, ob sie deren Mittagspause zu einem Erstgespräch nutzen oder die Arbeiter nach Feierabend abfangen sollte. Männergebrüll lenkte sie von der Entscheidungsfindung ab.
    Der Lärm kam vom Hof. Dort standen sich zwei Kerle in blutverschmierten weißen Schürzen gegenüber und fuchtelten mit Messer und Fleischerhaken durch die Luft. Sie verstand nicht, was die beiden sich entgegenschrien, aber ihre wutverzerrten Gesichter ließen ahnen, dass es um die Wurst ging. Ginter kam aus seinem Büro gerannt und brüllte ebenfalls Unverständliches, während er wild mit den Armen gestikulierte.
    Jetzt war sie so nahe an die Streithähne herangekommen, dass sie etwas verstehen konnte.
    »Komm scho, du feige Sau, ich schlacht dich ab und wirf dich zu deine Brüder!«
    »Do müsse Metzger kumme, keine Würschtle!«, fauchte der andere und umkreiste seinen Gegner, jederzeit zum Angriff bereit.
    »Schluss damit! Sonscht könnet ihr beide umgehend heimgehe!«, schrie Ginter dazwischen.
    Keiner der Kämpfer schien ihn zu hören, beide waren ganz auf den jeweils anderen fixiert. Der mit dem Messer holte zum Stich aus und führte ihn durch. Der Angegriffene sprang zurück und wich einen Schritt zur Seite. Dadurch rannte der Messerstecher an ihm vorbei und zeigte Blöße. Der Angegriffene nutzte die Chance und versetzte dem Stecher mit dem Fleischerhaken einen Hieb auf den Rücken. Der Stecher stürzte ächzend zu Boden, das Messer schlitterte über den Asphalt. Mittlerweile hatte sich eine Gruppe von Schaulustigen um die Streithähne versammelt, ebenfalls in weißen blutverschmierten Schürzen. Sie ergriffen Partei und starteten Wetten auf den möglichen Sieger.
    Der mit dem Fleischerhaken war momentan im Vorteil. Er holte zu einem weiteren Hieb aus, da fuhr ihm Ginter in den Arm und hielt ihn fest.
    »Jetzt isch Schluss! Hän ihr verstande?«
    Ginter senkte behutsam den Arm des Fleischers und nahm ihm den Haken ab. Der Mann ließ es geschehen und stierte schnaufend zu dem Stecher, der sich eben aufrappelte und sich die Schürze zurechtrückte.
    »Was isch los?«, rief Ginter in die Runde. »Isch Betriebsversammlung? Meinet ihr, des Vieh schlachtet sich von allein?«
    Die Schaulustigen trotteten in die Halle zurück. Ginter sah den beiden Streitern scharf in die Augen. »Mir berede des nach Feierabend. Jetzt wird gschafft.«
    Er reichte dem Stecher das Messer und dem anderen den Fleischerhaken, und die beiden trotteten ab. Während der
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