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Uebergebt sie den Flammen

Uebergebt sie den Flammen

Titel: Uebergebt sie den Flammen
Autoren: Tilman Röhrig
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allem aber sammelte er die heimlichen Gesichter, die Verbotenes verbergen wollten.
    Besser, ich meid es doch, aber ich gebe euch Zeit. Dieser junge Kerl! Ein Gesichtchen ohne Bart, so fein und hell. Meinen Weibern gefällt so einer, nur Geld haben diese Jüngelchen keins.
    Der Scharfrichter warf die Bücher ins Feuer. Längst waren das Holz verbrannt, die schräg gestellten Balken eingeknickt, das Stroh verlodert. Nur aus dem Krater des weißlichen Haufens schlugen noch Flammen. Glut, schon bedeckt mit weicher Asche, doch im Innern noch wie eine Sonne.
    Aus einiger Entfernung beobachteten Inquisitor und Greve das Feuer und die Menge, flüsterten miteinander. Vergeblich versuchte Christoff mit Handzeichen, die Aufmerksamkeit des Greven zu erlangen, ihn herüberzubitten. Entschlossen: »Herr!«, so laut er konnte, durch den Lärm hindurch.
    »Was gibt es?«
    »Den Korb nehm ich.«
    Großzügig nickte der Greve.
    »Was bekomme ich? Ist doch eine Hinrichtung mit Brennen, oder?«
    Das Stirnrunzeln kannte Heftrich, der Greve wollte wieder nicht nach Vorschrift bezahlen, dieser Kerl schacherte um jeden Stuber und verdiente in seine eigene Tasche.
    »Was ist?«, bohrte er.
    »Morgen, wir rechnen morgen in aller Ruhe ab.«
    »Ich, ich bekomm meinen vollen Lohn!«
    »Ruhig, Scharfrichter. In Ruhe morgen.«
    Heftrich beugte den Oberkörper, schob sein Gesicht vor, sofort wich der Greve einen Schritt zur Seite.
    »Wart doch. Heute ist alles wie verflucht. Die einen bringen was, die andern nehmen es wieder mit.«
    Wachgeschreckt sah ihm der Greve jetzt voll ins Gesicht, und Christoff Heftrich genoss diesen Augenblick.
    »Sag schon!«
    »Gerade hat einer von den Studierten drei Bücher aus dem Haufen gesucht und weg.«
    »Wie hat er ausgesehen? War der Kerl allein? Wohin ist er verschwunden?«
    »Was regst du dich auf?«
    »Sag schon!«
    Mit dem rechten Arm zeigte der Henker nach Süden, in Richtung Altermarkt, genau beschrieb er den Hageren, auch den jungen Studenten, der ihn verfolgte.
    »Die gehören zusammen, du Idiot! Ab heute sind das Ketzer. Wir sollen sie jagen wie Hexen oder Gotteslästerer. Vor das Inquisitionsgericht mit ihnen!«
    »Nur weil sie Bücher lesen? Bis ich das begreife!«
    »Hast du vorhin nicht zugehört? Kerl, ich muss die Stadt von ihnen säubern, bevor sie sich heimlich irgendwo treffen, sich organisieren. Die ersten hätten wir gleich hier schnappen können, und du lässt sie einfach laufen, du Kurzab!«
    »Bis ich meine Arbeit gemacht hab, bleib ich dabei.«
    Als sich der Greve umwandte, zum Inquisitor hinüberstürmte, verfolgte ihn Heftrich mit beiden Zeigefingern. Kurzab? Nein, du beleidigst mich nicht. Jeder hat sein Amt. Du bist der mächtige Greve von Köln, und ich bin nur dein Scharfrichter. Fang du die Ketzer, von mir bekommen sie dann schon alles, was ihnen zusteht.
    Ein hastiger Wortwechsel, dann erhielten zwei Büttel ihre Befehle. Grob drängten sie durch die Menge bis zur Tribüne, bis zu den Stadtsoldaten, die sich immer noch mühsam aufrecht in den Sätteln hielten. Satzfetzen, Handzeichen, gemeinsam verließen Büttel und Reiter den Platz. Die Verfolgung begann.
    Endlich brannten auch die letzten Bücher auf dem Scheiterhaufen. Nachdem die Würdigen von der Tribüne gestiegen waren, der Zug der feinen Gäste, Gelehrte und Studenten, auch Stadträte und die Männer des Kapitels den Domhof verlassen hatten, flackerte in der Menge das Fest auf, überschlug sich mit Lachen. Händler boten aus Bauchläden ihre Waren an, Dirnen priesen sich selbst, ein Taschendieb wurde geprügelt.
    Eng drängte sich das Volk um die Flammen, für die Bürger war es nur noch ein Feuer im November, eine Glut, die kurze Zeit wärmte, bevor sie weiß und grau zerfiel.
    Gegen Mittag legte sich Christoff Heftrich den Mantel um. Die Menge hatte sich zerstreut. Vor dem Domportal hockten Bettler. Am Heilig-Geist-Spital, gleich neben dem Dom, warteten Arme auf ihre Mahlzeit. Das Schauspiel war vorüber.
    Mit der Hand griff Heftrich unter das Schafsfell, fest rieb er die Stelle über seinem Herzen und weiter bis unter die Achsel.
    Von meinen Hingerichteten bekomme ich die Kleider. Das lohnt sich. Besser, ich hätt heute den Mann verbrannt und nicht nur seine Bücher. Ist bestimmt ein Gelehrter mit feinen Sachen, so einer lohnt sich. Er spie einen Strahl, nahm den Korb und verließ den Domhof.
    Hinter ihm rissen die Knechte des Schinders mit Stöcken den Scheiterhaufen auseinander und zertraten die Glut zur Asche.
    *

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