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Über den Wassern

Über den Wassern

Titel: Über den Wassern
Autoren: Robert Silverberg
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Fuß angestoßen, und das Zeug hat ihn am Bein gepackt und...«
    »Was? Was für einen Quatsch erzählst du mir da?« Delagard blickte wieder über Bord, dann auf Lawlers Hände und danach auf den verschmierten Fleck auf den Planken. »Meinst du das im Ernst? Etwas, das aussieht wie ein Fischnetz kam aus dem Meer an Bord und hat sich Gospo geholt?«
    Lawler nickte.
    »Das gibt’s nicht. Irgendwer muß ihn rübergestoßen haben! Wer war es? Du, Lawler? Kinverson?« Delagard blinzelte mit den Augendeckeln, als wäre auch ihm klar, wie unwahrscheinlich das eben Gesagte sei. Dann blickte er Lawler und Kinverson fest an und sagte: »Ein Netz? Ein lebendes Netz ist aus der See rauf gekrochen und hat sich Gospo geschnappt?«
    Wieder nickte Lawler fast unmerklich mit dem Kopf. Langsam spreizte er die Hände und schloß sie wieder. Das Stechen ließ sehr langsam nach, aber er wußte, er würde es noch stundenlang fühlen. Er war am ganzen Leib wie betäubt, war benommen und durcheinander. Die ganze alptraumhafte Szene rollte in seinem Kopf wieder und wieder ab: Struvin bemerkt das Netz, stößt mit dem Fuß dagegen, verfängt sich darin, das Netz beginnt über die Reling zu fließen und zerrt Struvin mit...
    »Nein«, murmelte Delagard. »Himmel, verdammt noch mal, ich kann es nicht glauben.« Kopfschüttelnd spähte er in die ruhige See hinab. Dann schrie er: »Gospo! Gospo!« Aus der Tiefe kam keine Antwort. »Verdammter Mist! Fünf Tage auf See, und schon einen Mann verloren? Das darf doch nicht wahr sein!« Er kehrte der Reling den Rücken zu, genau in dem Moment, da die restliche Schiffsbesatzung an Deck erschien: Leo Martello voran, dann Father Quillan und Onyos Felk, und dicht hinter ihnen die übrigen. Delagard kniff die Lippen zusammen, seine Wangen blähten sich. Das Gesicht war vor Bestürzung und Wut und Schock blutrot geworden. Das Ausmaß von Delagards Bekümmerung überraschte Lawler. Struvin war auf scheußliche Weise gestorben, aber schließlich gab es ja nicht viele angenehme Sterbearten. Und er hätte auch nie vermutet, daß Delagard sich einen feuchten Furz um irgendwas oder irgend jemanden kümmerte, außer um sich selber.
    Der Reeder wandte sich zu Kinverson und fragte: »Hast du je von so was gehört?«
    »Noch nie. Niemals nicht.«
    »Ein Ding, das aussieht wie ein ganz gewöhnliches Netz«, wiederholte Delagard. »Ein vergammeltes altes Netz, das dich plötzlich anspringt und packt... Himmel, was ist das für eine Gegend! Was für eine verfluchte Gegend!« Und er schüttelte unablässig weiter den Kopf, als könnte er Struvin wieder aus der See herausschütteln, wenn er es nur lang und heftig genug durchhielt mit dem Kopfgewackle.
    Dann wuchtete er sich herum und sprach zu dem Priester: »Father Quillan! Sagt uns ein Gebet auf, ja?«
    Der Geistliche schaute betroffen drein. »Wie? Was?«
    »Habt Ihr mich nicht gehört? Wir haben einen Mann verloren. Struvin ist fort. Irgendwas ist an Bord gekrochen und hat ihn ins Meer gezerrt.«
    Der Pater blieb stumm. Er reckte die geöffneten Hände vor, als wollte er bedeuten, daß Sachen, die aus dem Ozean heraufgekrochen kommen, außerhalb seiner ekklesiastischen Kompetenz und Verantwortlichkeit lägen.
    »Mein Gott, so sagt doch ein paar Worte! Sagt irgendwas!«
    Father Quillan zögerte noch immer. Aus dem hinteren Bereich der Gruppe kam stockend eine flüsternde Stimme: »Unser Vater im Himmel - geheiligt sei DEIN Name...«
    »Nein!« unterbrach der Priester. Es klang, als erwachte er soeben langsam aus einem Schlaf. »Nicht das!« Dann befeuchtete er sich mit der Zungenspitze die Lippen und begann sehr stockend und verlegen: »Wahrlich, auch wenn ich durch das Schattental des Todes wandere, will ich kein Unheil fürchten, denn DU bist bei mir.« Father Quillan zögerte, befeuchtete sich erneut die Lippen und suchte offensichtlich nach weiteren frommen Worten. »DU hast mir ein Festmahl bereitet im Angesichte meiner Feinde... Und so sollen mich gewißlich Güte und Barmherzigkeit begleiten an allen Tagen meines Lebens...«
    Pilya Braun trat zu Lawler, ergriff ihn an den Ellenbogen und drehte seine Handflächen nach oben, so daß sie die Feuermale sehen konnte. »Komm mit«, sagte sie leise. »Gehn wir runter, und du zeigst mir, welche Salbe ich dir da drauftun muß.«
    IN DER KLEINEN KABINE voller Pülverchen und Tränklein sagte Lawler mit einer Kopfbewegung: »Das da drüben. Das Fläschchen dort.«
    »Dies?« Pilya blickte ihn argwöhnisch an. »Das ist
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