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Über den Ursprung des Übels

Titel: Über den Ursprung des Übels
Autoren: Albrecht von Haller
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erzeugt,
Schließt nicht die Laster aus, sie sind, wie wir, hinlässig, Siehe Högströms Beschreibung.
Geil, eitel, geizig, träg, mißgünstig und gehässig,
Und was liegt dann daran, bei einem bittren Zwist,
Ob Fisch-Fett oder Gold des Zweispalts Ursach ist?
Wer von der Tugend weicht, entsaget seinem Glücke
Und beugt sein Engels-Recht zu eines Tiers Geschicke.
Die Pflichten sind der Weg, den Gott zur Wohlfahrt gibt,
Ein Herz, wo Laster herrscht, hat nie sich selbst geliebt.
Von außen fließt kein Trost, wann uns das Innre quälet,
Uns ekelt der Genuß, sobald die Notdurft fehlet;
Die Schätze dieser Welt sind nur des Leibes Heil;
Der wahre Mensch, der Geist, nimmt daran keinen Teil;
So bleibt der müde Geist bei falschen Gütern öde,
Der Ekel im Genuß entdeckt das innre Blöde,
Nie froh vom Itzigen, stets wechslend, keinem treu,
Erfährt der Glücklichste, wie nichtig alles sei.
Vergebens übertrifft das Schicksal unsre Bitten,
Die Welt hat Philipps Sohn und nicht die Ruh erstritten; Alexander der Große.
Ein Tor rennt nach dem Glück, kein Ziel schließt seine Bahn,
Wo er zu enden meint, fängt er von neuem an.
    Doch auch das Schatten-Glück erfreut den Menschen selten,
Weil Gold und Ehre nichts als durch den Vorzug gelten;
Die Güter der Natur sind endlich und gezählt,
Die einen werden groß von dem, was andern fehlt;
Ein Sieger wird berühmt durch tausend andrer Leichen,
Und ganzer Dörfer Not macht einen ein'gen Reichen;
Der Schönen holdes Ja, die einem sich ergibt,
Verurteilt die zur Qual, die da, wo er, geliebt.
Wir streiten in der Welt um diese falschen Güter,
Der Eifer, nicht der Wert, erhitzet die Gemüter;
Wie Kinder (wer ist nicht in einem Stück ein Kind?)
Oft um ein streitig Nichts sich in den Haaren sind:
Bald dies, bald jenes siegt und trotzet mit dem Balle,
Bei keinem bleibt die Lust, und der Verdruß drückt alle.
Wir schwitzen, kümmern, flehn, verschwenden Zeit und Blut,
Was wir von Gott erpreßt, ist endlich keinem gut.
    So findt man wahre Not, wo man Vergnügen suchet,
Der Zepter wird so oft, als wie der Pflug, verfluchet.
Die Furcht, der Seele Frost, der Flammenstrom, der Zorn,
Die Rachsucht ohne Macht, des Kummers tiefer Dorn,
Die wache Eifersucht, bemüht nach eignem Leide,
Der Brand der Ungeduld, der teure Preis der Freude,
Der Liebe Folter-Bett, der leeren Stunden Last
Fliehn von der Hütten Stroh und herrschen im Palast.
Noch stärker peitscht den Geist das zornige Gewissen;
Noch Macht, noch Haß von Gott befreit von seinen Bissen;
Sein fürchterlicher Ruf dringt in der Fürsten Saal,
In Gold und Purpur bebt Octaviens Gemahl Der Kaiser Nero.
Und siehet, wo er geht, sosehr er sucht zu schlafen,
Vor ihm den offnen Schlund voll unfehlbarer Strafen.
    Der Leib, das Meisterstück der körperlichen Pracht,
Folgt seinem Gaste bald und fühlt des Übels Macht.
Vollkommen hatt er einst, geschickt zu Gottes Bilde,
Die Unschuld noch zum Arzt und Einigkeit zum Schilde,
Dem Tode minder nah und vielleicht frei davon,
Nahm er teil an der Lust und nimmt itzt teil am Lohn;
Die Zeit muß seit dem Fall ihr Sandglas gäher stürzen,
Die Mordsucht grub ein Erzt, die kurze Frist zu kürzen,
Tod, Schmerz und Krankheit wird ergraben und erschifft,
Und unsre Speise macht der Überfluß zum Gift.
Der Sorgen Wurm verzehrt den Balsam unsrer Säfte,
Der Wollust gäher Brand verschwende des Leibes Kräfte,
Verwesend, abgenutzt und nur zum Leiden stark
Eilt er zur alten Ruh und sinket nach dem Sarg.
Der Geist, von allem fern, womit er sich betöret,
Sieht sich in einer Welt, wovon ihm nichts gehöret;
Nur geht mit ihm ins Reich der öden Dunkelheit
Ein unerträglich Bild der eignen Häßlichkeit.
Gold, Ehre, Wollust, Tand, wonach er sich gesehnet,
Verblendung, Selbstbetrug, worauf er sich gelehnet,
Witz, Ansehn, Wissenschaft, der Eigenliebe Spiel,
Von allem bleibt ihm nichts als des Verlusts Gefühl.
Der Taten Unterscheid ist bei ihm umgedrehet,
Er haßt, was er geliebt, und ehrt, was er verschmähet,
Und brächte, könnt es sein, jedweden Augenblick,
Worin er sich versäumt, mit Jahren Pein zurück.
Die Wahrheit, deren Kraft der Welt Gewühl verhindert,
Findt nichts, das ihr Gefühl in dieser Wüste mindert;
Ihr fressend Feur durchgräbt das Innre der Natur
Und sucht im tiefsten Mark des Übels mindste Spur.
Das Gute, das versäumt, das Böse, so begangen,
Die Mittel, die verscherzt, sind eitel Folter-Zangen,
Von steter Nachreu heiß. Er leidet ohne Frist,
Weil er gepeiniget und auch der Henker ist.
 
    O
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