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Über den Ursprung des Übels

Titel: Über den Ursprung des Übels
Autoren: Albrecht von Haller
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mehr, wann er uns zwingt zu loben;
Gerechtigkeit und Huld, der Gottheit Arme, ruhn,
Sobald Gott alles würkt, und wir nichts selber tun.
Drum überließ auch Gott die Geister ihrem Willen
Und dem Zusammenhang, woraus die Taten quillen.
Doch so, daß seine Hand der Welten Steur behielt,
Und der Natur ihr Rad muß stehn, wann er befiehlt.
    So kamen in die Welt die neu-erschaffnen Geister,
Vollkommenes Geschöpf von dem vollkommnen Meister;
In ihnen war noch nichts, das nicht zum Guten trieb,
Kein Zug, der an die Stirn nicht ihren Ursprung schrieb;
Ein jedes einzle war in seiner Art vollkommen.
Dem war wohl mehr verliehn, doch jenem nichts benommen.
Der einen Wesen ward vom Irdischen befreit,
Sie blieben näher Gott an Art und Herrlichkeit.
Euch kennt kein Sterblicher, ihr himmlischen Naturen!
Von eurer Trefflichkeit sind in uns wenig Spuren;
Nur dieses wissen wir, daß, über uns erhöht,
Ihr auf dem ersten Platz der Reih der Wesen steht.
Vielleicht empfangen wir, bei trüber Dämmrung Klarheit,
Nur durch fünf Öffnungen den schwachen Strahl der Wahrheit;
Da ihr, bei vollem Tag, das heitere Gemüt
Durch tausend Pforten füllt und alles an euch sieht;
Daß, wie das Licht für uns erst wird mit unsren Augen,
Ihr tausend Wesen kennt, die wir zu sehn nicht taugen;
Und wie sich unser Aug am Kleid der Dinge stößt,
Vor eurem scharfen Blick sich die Natur entblößt.
Vielleicht findt auch bei uns der Eindruck der Begriffe
Im allzuseichten Sinn nicht gnug Gehalt und Tiefe,
Da bei euch alles haft' und, sicher vor der Zeit,
Sich die lebhafte Spur, sooft ihr wünscht, verneut.
Vielleicht, wie unser Geist, gesperrt in enge Schranken,
Nicht Platz genug enthält zugleich für zwei Gedanken,
In euch der offne Sinn des Vielen fähig ist,
Und den zu breiten Raum kein einzler Eindruck mißt.
Doch unser Wissen ist hierüber nur Vermuten,
Genug, der Engel Sinn war ausgerüst' zum Guten,
Ihr Trieb zur Tugend war so stark als ihr Verstand,
Sie sehnten sich nach Gott, als ihrem Vaterland,
Und ewiglich bemüht mit Loben und Verehren
War all ihr Wunsch, ihr Licht zu Gottes Ruhm zu mehren.
    Fern unter ihnen hat das sterbliche Geschlecht,
Im Himmel und im Nichts, sein doppelt Bürgerrecht.
Aus ungleich festem Stoff hat Gott es auserlesen,
Halb zu der Ewigkeit, halb aber zum Verwesen:
Zweideutig Mittelding von Engeln und von Vieh,
Es überlebt sich selbst, es stirbt und stirbet nie.
    Auch wir, ach! waren gut: der Welt beglückte Jugend
Sah nichts, so weit sie war, als Seligkeit und Tugend;
Auch in uns prägte Gott sein majestätisch Bild,
Er schuf uns etwas mehr als Herren vom Gewild.
Er legte tief in uns zwei unterschiedne Triebe,
Die Liebe für sich selbst und seines Nächsten Liebe.
Die eine niedriger, doch damals ohne Schuld,
Ist der fruchtbare Quell von Arbeit und Geduld:
Sie schwingt den Geist empor, sie lehrt die Ehre kennen,
Sie flammt das Feuer an, womit die Helden brennen,
Und führt im steilen Pfad, wo Tugend Dornen streut,
Den Welt-vergeßnen Sinn nach der Vollkommenheit.
Sie wacht für unser Heil, sie lindert unsern Kummer,
Versöhnt uns mit uns selbst und stört des Trägen Schlummer;
Sie zeiget uns, wie Heut für Morgen sorgen muß,
Und speiset ferne Not mit altem Überfluß.
Sie dämpft des Kühnen Wut, sie waffnet den Verzagten;
Sie macht das Leben wert im Auge des Geplagten;
Sie sucht im rauhen Feld des Hungers Gegengift;
Sie kleidet Nackende vom Raub der fetten Trift;
Sie bahnete das Meer zur Beihülf unsres Reisens,
Sie fand des Feuers Quell im Zweikampf Stein und Eisens;
Sie grub ein Erzt hervor, das alle Tiere zwung;
Sie kocht' aus einem Kraut der Schmerzen Leichterung;
Sie spähte der Natur verborgne Eigenschaften;
Sie waffnete den Sinn mit Kunst und Wissenschaften.
O daß sie doch so oft, vor zartem Eifer blind,
In eingebildtem Glück ein wirklich Elend findt!
Viel edler ist der Trieb, der uns für andre rühret,
Vom Himmel kömmt sein Brand, der keinen Rauch gebieret;
Von seinem Ebenbild, das Gott den Menschen gab,
Drückt deutlicher kein Zug sein hohes Urbild ab.
Sie, diese Liebe, war der Menschen erste Kette,
Sie macht uns bürgerlich und sammelt uns in Städte,
Sie öffnet unser Herz beim Anblick fremder Not,
Sie teilt mit Dürftigen ein gern gemisset Brot
Und würkt in uns die Lust, vom Titus oft verlanget,
Wann ein verwandt Geschöpf von uns sein Glück empfanget.
Die Freundschaft stammt von ihr, der Herzen süße Kost,
Die Gott, in so viel Not, uns gab zum letzten Trost;
Sie steckt die Fackeln an, bei deren holdem
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