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Ueber den Horizont hinaus - Band 1

Ueber den Horizont hinaus - Band 1

Titel: Ueber den Horizont hinaus - Band 1
Autoren: Sigrid Lenz
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dumm… so etwas zu sagen.“
    Ian setzte seine Tasse ab und ergriff Marvins Hand und führte sie ebenfalls zum Tisch, wo der sein eigenes Trinkgefäß losließ. „Das war es nicht“, meinte er, während er Marvin in die Augen blickte. „Du kannst nicht wissen, was ich tun werde.“
    „Doch.“ Marvin nickte und schüttelte gleichzeitig den Kopf. „Ich… ich habe so ein Gefühl…“
    In Ians Augen blitzte es auf. „Das ist gut“, sagte er und fügte dann leiser ein paar Worte hinzu. Marvin musste sich nach vorne lehnen, um sie zu verstehen.
    „Das habe ich auch“, wiederholte Ian und wandte sich Marvin zu, so dass sie beinahe mit ihren Gesichtern aufeinander trafen. Gleichermaßen irritiert entfernten sie sich rasch wieder voneinander. Doch nur für einen Moment. Dann beugte Ian sich wieder in Richtung des Tisches und fragte mit einem Nicken in Richtung Teekanne. „Möchtest du?“
    Marvin blinzelte. Sein Blick wanderte zu der Flasche. „Ich hätte lieber noch etwas davon“, meinte er sehnsüchtig. Ian zog die Augenbrauen hoch, aber erfüllte doch den Wunsch des Blonden. Jedoch nicht ohne dem Schnaps noch eine gute Portion Tee hinzuzufügen.
    „Danke.“ Marvin nahm seine Tasse wieder auf, nippte daran, stellte sie jedoch danach gleich wieder ab. Er atmete aus und wandte sich dann zu Ian, der ihn nicht aus den Augen gelassen hatte.
    „Du… du denkst doch jetzt nicht schlecht von mir?“, fragte Marvin und leckte sich nervös die Lippen.
    „Wieso sollte ich?“ Ian lehnte sich zurück. „Ich habe nicht das Recht zu beurteilen, was geschehen ist. Worauf es ankommt, ist nur, wer du jetzt bist.“
    Marvin umfasste seine Knie mit den Händen. „In Wirklichkeit… in Wirklichkeit bin ich jetzt auch nicht besser.“
    Marvin konnte sich selbst nicht erklären, woher das Bedürfnis rührte, Ian sein Herz auszuschütten. Er war für gewöhnlich gut darin, die Dinge für sich zu behalten. Darin bestand sogar eines der Prinzipien, die zu erlernen, er sich an diesem Ort befand. Trotzdem kam es ihm mit Ian anders vor. Er fühlte, dass er mit ihm ehrlich sein musste. Dass es keinen Sinn ergab, Ian etwas vorzuspielen. Dieses war ein Mann, wenn nicht sogar der erste, den er kennengelernt hatte, den er weder belügen konnte noch wollte. Es hing zu viel davon ab.
    „Ich bin schwach“, fuhr er fort. „Wäre ich nicht von der Straße aufgesammelt worden, dann hätte man mich dort mittlerweile vermutlich längst in irgendeinem Loch verscharrt.“
    Ian dachte nach. „Immerhin hast du zugelassen, dass dir geholfen wird“, sagte er. „Und… wenn ich das richtig sehe, hast du dich auf den Weg gemacht.“
    Marvin lachte. „Auf den Weg? Nein, eher nicht. Ich bin auf den Weg gesetzt worden. Nachdem ich meinem väterlichen Beschützer zu alt geworden bin, und er es leid war, sich die Ausgaben zu machen, hielt er es für die beste Lösung, mich in einer anständigen Umgebung unterzubringen.“ Marvin schnaubte. „Vor allem in einer Umgebung, auf der er beide Daumen halten konnte, wenn er so wollte.“
    Ian öffnete den Mund. „Es ist also…“ Er stockte.
    Marvin schwieg betreten. „Scheiße passiert. Und alles in allem hatte ich noch Glück. Ich muss nur weiter mitspielen.“
    Ian schüttelte den Kopf. „Das ist also das System, für das zu kämpfen wir ausgebildet werden.“
    „Das Beste von allen“, brummte Marvin.
    Um Ians Mund zuckte ein schiefes Lächeln. „Ich denke trotzdem, dass du auf dem richtigen Weg bist, Marvin.“
    „Und wie kommst du darauf?“
    Ian schwieg eine Weile, bevor er antwortete. „Ich habe dir zugesehen?“
    „Mir?“ Marvins ohnehin schon erwärmtes Gesicht begann zu glühen. „Wieso… ich…“
    Ian schüttelte tadelnd den Kopf. „Eigentlich sollten wir doch darauf trainiert werden, das zu bemerken. Ich habe bemerkt, dass du mich ansiehst.“
    „Du hast…?“ Nun war Marvin sich sicher, eine verlegene Röte auf den Wangen zu zeigen.
    „Klar.“ Ian nickte und sah Marvin von der Seite an. „Glaub mir, das fand ich schmeichelhaft. Mir ist nicht aufgefallen, dass du einen von den anderen so angesehen hast.“
    „Das… das ist, weil du etwas Besonderes bist“, erwiderte Marvin. „Du… ich…“ Er stockte.
    „Du findest mich gutaussehend?“, vergewisserte Ian sich lächelnd. „Keine Sorge, ich hab das schon gehört.“
    Marvin lächelte zurück. „Dann weißt du, dass ich nicht anders konnte.“
    „Genau wie ich“, sagte Ian und wurde ernst. „Du weißt gar nicht,
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